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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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223 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital sprechende Wohnung mit dem dazugehörigen Mobiliar vorhanden zu sein, die es oft, vor allem bei jungen Beamten, nicht gab. Dieser Missstand brachte es mit sich, dass mitunter nur die Männer – aus Gründen der Karriere – in Gesellschaft gingen und ihre Ehefrauen zu Hause ließen, um nicht in die Verlegenheit zu kom- men, „Gegeneinladungen“ inszenieren zu müssen, da ihr Zuhause nicht dafür geeignet war.429 Das zumindest behauptet Friedländer und er berichtet: „Vom Be- amten verlangt auch niemand eine Repräsentation. Den jungen Beamten stehen zwar alle Türen offen, und sie bekommen mehr Einladungen, als sie annehmen können, aber niemand erwartet von ihnen eine andere Revanche als höchstens ein paar Blumen zum neuen Jahr. Heiraten sie endlich, dann verschwinden sie aus dem gesellschaftlichen Leben. […] Einer oder der andere, der ein bißchen Geld und eine ehrgeizige Frau hat, führt auch selber Haus. Aber das ist selten und nützt ihm weder in seiner Karriere noch bei seinen Kollegen, die er mit seinen Einladungen, die sie doch nicht ablehnen können, in die Verlegenheit der Revan- che und der Toilette für die Frau bringt.“430 Darauf mag es wohl angekommen sein: Besaß eine Beamtenfamilie Vermögen entweder aus der Herkunftsfamilie des Mannes, seiner angetrauten Ehefrau oder hatte er andere Einkünfte, die nicht aus seinem Beamtensalär resultierten, dann konnte er am Gesellschaftsleben teil- nehmen. Freilich ist zu betonen, dass die Beamtengesellschaft selbst einen eigenen Mikrokosmos gebildet hatte, der wohl in erster Linie die private Umgebung der Beamten ausmachte, worauf viele Anspielungen in den Aufzeichnungen hinwei- sen. Auf die zahlreichen bevorzugten Heiraten innerhalb des beamteten Milieus vom 18. bis zum 20. Jahrhundert wurde schon verwiesen.431 Diese verwandtschaft- lich-beruflichen Beziehungen bildeten in jedem Fall das Substrat des sozialen Um- gangs. Die Bürgergesellschaft hatte im urbanen Milieu in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts enorm an Bandbreite gewonnen. Die Beamten hatten bis 1848 die vornehmste Gruppe des Bildungsbürgertums dargestellt,432 die den Staat reprä- sentierte und Symbol des Rechtsstaates war. Daraus hatten sie ihr Prestige in der Gesellschaft, aber auch ihr Selbstverständnis und ihre Selbstachtung bezogen, die zumindest ein wenig ihre schwierige finanzielle Situation kompensierte. Dieser gesellschaftlichen Ausnahmestellung der Bürokratie wurde ein Ende gesetzt, als in 429 FRIEDLÄNDER, Letzter Glanz der Märchenstadt, S. 70, über die Wohnverhältnisse in Wien siehe auch das Zitat Friedländers zit. S. 207. 430 FRIEDLÄNDER, Letzter Glanz der Märchenstadt, S. 70. 431 Siehe Kapitel „Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit“. 432 HEINDL, Gehorsame Rebellen, S. 267–335.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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