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4. Der private Alltag – das symbolische Kapital
Bad Fusch auf Urlaub.464 Die Ferienkarriere der Familie hatte sich also vom nie-
derösterreichischen Maria Enzersdorf in die umliegenden Kronländer erweitert.465
Den Hofbeamten Friedrich Ritter von Mayr verschlug es in den jüngeren Jahren
mit seiner Familie in die Brühl und nach Breitenfurt, beide vor den Toren Wiens
gelegen, später konnte er sich die Sommerfrische in Purkersdorf und ab den 1880er-
Jahren in Altaussee leisten.466 Wir können annehmen, dass die Familien höherer Be-
amten, wie die meisten Wiener Bürgersfamilien, den Sommer über auf dem Land,
wahrscheinlich in der Nähe Wiens (und sehr wahrscheinlich meistens in gemieteten
Häusern oder Wohnungen) verbrachten, wohin die beamteten Familienväter an
den freien Samstagnachmittagen und Sonntagen einfach nachreisen konnten. Da-
her bevorzugten die Beamten Sommerfrischen, die von Wien aus per Bahn leicht
erreichbar waren. Durch die endgültige Regelung des Urlaubs in der Dienstprag-
matik von 1914 wurde allen Beamten ein zwei- bis fünfwöchiger Urlaub gewährt,467
der, wie gesagt, vom Rang und der Länge der Dienstzeit abhing.
Alle geschilderten Gewohnheiten der Beamten im privaten Alltag bestätigen:
Die bürokratischen Eliten repräsentierten mit ihnen eifrig ihre bürgerliche Zu-
gehörigkeit, von welchen Wurzeln sie auch stammen mochten, welcher Nation,
Partei oder Ideologie sie auch verpflichtet waren. In geradezu klassischer Weise
präsentierten sie ihr symbolisches Kapital. Sie fühlten sich als Bildungsbürger und
sie wurden auch für die Bildungsbürger par excellence gehalten.
464 Nachlass Pratobevera, Karton 13, Tagebücher 1865–1872, HHSTA; siehe auch Kapitel „Soziale
Privilegierung und dienstliche Disziplinierung“.
465 HEINDL, Gehorsame Rebellen, S. 270 f.
466 FRIEDRICH FREIHERR von MA�R, Geschichte der Familie Mayr, Manus, S. 61, und MAX
FREIHERR von MA�R, Geschichte der Familie Mayr, Manus, S. 109 und 162–167. PA HEN-
CKEL-DONNERSMARCK.
467 Siehe Kapitel „Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung“.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277