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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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VI. Inszenierungen 248 Freunden und Parteien, das heißt ohne Protektion, zu verdanken waren. Dass die Selbstzeugnisse (mit Ausnahme von Kielmansegg) die Zunahme der katastropha- len politischen Protektionen vollkommen ignorierten,503 spricht Bände über den Anspruch, den der Beamtenstand an sich stellte: durch den Nachweis von bürger- lichen Tugenden, Leistungen und Kenntnissen, ohne fremde Hilfe aufzusteigen. Diese Ambition gehörte zur Beamtenehre, zum prinzipiellen Selbstverständnis. Bürokratischer Aufstieg aus eigenem Vermögen verlieh dem Beamtenleben Glanz und Herrlichkeit (sowie ein besseres Salär). Auch von persönlichem Ehrgeiz, von harten, uneleganten Kämpfen um die Karriere ist diskreterweise nicht die Rede,504 obwohl auch die Beamten mitsamt ihren Frauen nicht davor gefeit waren.505 Die Dichter waren gute Beobachter und blickten in manchen Belangen hinter die Kulissen der manchmal etwas pompösen Selbstwahrnehmung der Bürokraten. So konnten sich die Selbstbilder mit den Fremdbildern der literarischen Skizzen höchs- tens teilweise decken. Es gab literarische Zeichnungen von Beamtenfiguren, gegen die kaiserliche Beamte mit Sicherheit heftigen Protest eingelegt hätten, etwa gegen den Beamten Eynhuf in Herzmanovskys „Gaulschreck im Rosennetz“ oder gar ge- gen den Landvermesser K. in Kafkas „Schloss“. Der Chronist Otto Friedländer wird dem Selbstbild nahegekommen sein, als er das Benehmen der Beamten gegenüber den Staatsbürgern als distanziert menschenfreundlich beschrieb: „Es herrschte all- gemein Entgegenkommen und Toleranz, die sich manchmal in Schlamperei, aber niemals in sinnlose Härte wandelt. Boshaft, ironisch, weltkundig reden die Beamten mit den Leuten, lassen sich gerne etwas erzählen, was sie nicht glauben, um die Wünsche der Leute erfüllen zu können, und sind nicht abgeneigt, den Leuten sogar gelegentlich anzudeuten, wie sie sie überlisten sollen.“506 Gutmütigkeit, Ironie, eine gewisse Distanz zum eigenen Beruf, gespeist aus einem gesunden, vielleicht nicht ganz berechtigten Selbstbewusstsein und Überlegenheitsgefühl, so steht das Substrat des Selbstbilds der Beamten dem Fremdbild der Literatur gegenüber, die gerne von Minderbegabungen und Weltfremdheit der Bürokraten berichtet. Selbst- und Fremdbilder erreichten Kongruenz, wenn es um Distanz und Dif- ferenz ging, die echte Staatsdiener gerne zu allen anderen Staatsbürgern entwi- ckelten. Die Gründe dafür wurden verschieden wahrgenommen. Während die 503 Siehe Kapitel „Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus“. 504 KLEINWAECHTER, Der fröhliche Präsidialist, S. 101. 505 KLEINWAECHTER beschreibt diese Kämpfe der Beamten sowie den Ehrgeiz und die Intrigen ihrer Frauen in seinem Roman: Bürokraten. Ein heiterer Roman aus Österreich (Wien 1948); eingehend analysiert bei ZELGER, Das ist alles viel komplizierter, S. 296–302. 506 FRIEDLÄNDER, Letzter Glanz der Märchenstadt, S. 72.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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