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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
Seite - 256 -
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VII. Josephinismus und Moderne um 1900 256 dem selbstverständlichen Bewusstsein, dass sie einen säkularen Staat zu vertreten hatte, der als alleinige Instanz gegen eventuelle Einmischungen der katholischen Kirche oder anderer Institutionen die Geschicke im Staat zu bestimmen habe. Zugleich wurden die josephinischen Beamten wie zur Epoche Josephs II. als auto- ritär gesehen, denen offenbar die Aufgabe zugewiesen war, eine unmündig emp- fundene Bevölkerung zu ihrem Glück zu zwingen, das heißt, dass sie Reform und Revolution „von oben“ bejahten, doch „von unten“ ablehnten. Wir haben die Frage zu stellen, ob die Beamteneliten dem josephinischen Ideal der Fortschrittlichkeit, das sie sich gerne, wie wir sahen, auf ihre Fahnen hefteten, tatsächlich entsprachen, ob sie reformfreudig, dem Neuen aufgeschlossen, Vor- reiter einer neuen Zeit waren? Wie auch sonst lässt sich die Frage angesichts der Hunderttausenden von Beamten und Tausenden von Elitebeamten nicht pauschal beantworten. Zweifelsohne gab es eine Reihe von Beamten, die auf ihrem Gebiet Katalysatoren der Moderne waren, wie wir es beispielsweise bei der Förderung der Künste durch das Unterrichtsministerium festgestellt hatten.529 Freilich dürfte die tatsächliche Vorliebe für Modernität auf dem Gebiet der Kunst und Kultur eher begrenzt gewesen sein und die Beamten, die die Moderne begeistert begrüß- ten, selbst in den Ämtern des Unterrichtsministeriums Ausnahmeerscheinungen. „Grundstürzenden Neuerungen gegenüber verhielt man sich misstrauisch“, bei Makart habe man beispielsweise bereits ein wenig „gestutzt“, Klimts Darstellung der Philosophie haben man ratlos als „Gewoge in Blau“ betrachtet,530 meinte Ehr- hart, der es wissen musste, war er doch damals dem Kunstdepartement im Unter- richtsministerium zugeteilt. Das Kriterium des persönlichen Geschmacks oder der individuellen künstlerisch-ästhetischen Vorlieben war für die Beamten allerdings kein Thema: Sie fühlten sich verpflichtet, moderne Strömungen zu fördern. Auch auf anderen Gebieten, zum Beispiel auf dem der Verwaltung, gab es re- formfreudige, innovative Beamte: Koerber, der als Ministerpräsident 1904 eine Studie über Verwaltung zum Zwecke der Reform angeregt hatte,531 wurde jüngst als Protopyp des josephinischen Beamten eingestuft, der das übernationale Reich, dessen Weg zu einem modernen Staat im 18. Jahrhundert begann, als überna- tionalen Staat in die Moderne führen wollte.532 Wie bereits erwähnt, wäre in 529 Siehe Kapitel „Macht und Ohnmacht“. 530 EHRHART, Im Dienste, S. 116. 531 ERNEST von KOERBER, Studien des Ministerpräsidenten Dr. Ernest von Koerber über die Reform der inneren Verwaltung (Wien 1904); zu Koerber siehe Kapitel „Generationenkonflikte“. 532 DEAK, The Austrian Civil Service, S. 290–296, beruft sich auf die Studie von LINDSTRÖM, Empire and Identity, S. 9.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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