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VII. Josephinismus und Moderne um 1900
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Der 11. März 1895 wurde als Tag des Diensteintritts bei den Eisenbahnen ange-
geben – er war somit 27 Jahre alt, als seine Existenz im Staatsdienst begann, für
den er am 23. März seinen Diensteid ablegte. Aus einem seiner Briefe an Kraus
erfahren wir allerdings, dass er sein Studium in Krakau unterbrechen musste, da
er (wahrscheinlich wegen seiner „revolutionären Einstellung“, die später noch zur
Sprache kommen soll) für ein Jahr von der Jagellonen-Universität ausgeschlossen
wurde und das Rechtsstudium in Graz fortsetzte.576 Er erwähnt auch, dass er nach
dem Studium in der Rechtsanwaltskanzlei des Freundes und Anwalts der Fami-
lie, des späteren Reichsratsabgeordneten Dr. Adolf Gross, in Krakau gearbeitet
hatte, der ihn auch geistig, politisch-ideologisch im „radikal-revolutionären Sinn“
schon als Gymnasiast beeinflusst und ihn sogar mit der „revolutionären“ Mis-
sionierung seiner Mitschüler beauftragt hatte. Er hatte sich erst am Ende seiner
Studienzeit von dieser Ideologie (von der er uns wenig mitteilt) gelöst. Für dieses
private Vorleben war in der Diensttabelle des Amtes allerdings kein Platz vorgese-
hen. Auf ihr wurde lediglich vermerkt, dass er ab dem 11. März 1895 Mitglied der
„Krankenkasse“ wurde, was für seine spätere Existenz wichtig werden sollte. Er
legte schon bald am 22. Juni und am 4. Oktober 1895 seine Dienstprüfungen für
„Telegrafen, Verkehr“ und „Kommerzielles“ mit gut und sehr gut ab. Minutiös
genau wurden seine Anstellungen und „Veränderungen der dienstlichen Stellung“
verzeichnet. Demnach war er bereits ab 16. Februar 1895 „Beamtenaspirant“ beim
Bahnbetriebsamt Salzburg mit der fürstlichen Entlohnung, von 50 Gulden gewe-
sen, am 1. Juli 1895 finden wir ihn dort als „Concipist“ mit 700 Gulden Gehalt
und 240 Gulden Quartiergeld,577 in derselben Stellung am 2. November 1895 im
„Bahnstationsamt“ Kitzbühel mit derselben Entlohnung aber nur mit 120 Gul-
den Quartiergeld. Am 1. Jänner 1896 bekam er eine Gehaltsvorrückung auf 900
Gulden und 160 Gulden Quartiergeld. Bereits am 25. August desselben Jahres
wurde er als Concipist in das „kommerzielle Büro“ nach Innsbruck – Gehalt 900
Gulden und 320 Gulden Quartiergeld – versetzt, sein Gehalt wurde am 1. Juli
1897 auf 1.000 Gulden aufgebessert. Die Spalte im Personalbogen: „Belobigungen,
Strafen, Anmerkungen“ blieb völlig frei, das heißt, er war in diesen zwei Jahren
als Beamter nicht auffällig. Damit reißen die Aufzeichnungen über den Beamten
Dr. Ludwig Janikowski im Eisenbahnarchiv ab. Das Elternhaus, der Beruf des
576 Zum Folgenden vgl. die Briefe Janikowskis an Karl Kraus, Steinhof, Juli 1910, H.I.N. 169.168,
und 19. Februar 1910, H.I.N. 168.157, WIENBIBLIOTHEK IM RATHAUS, Handschriften-
sammlung, Teilnachlass Karl Kraus.
577 Näheres über die Staff
elung der Quartiergelder siehe Kapitel „Ökonomische und soziale Verhält-
nisse“ und Anhang II.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277