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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
Seite - 273 -
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3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 273 Wäre Janikowski reich gewesen, hätte er wahrscheinlich das von Josef Hoffman geplante private Sanatorium in Purkersdorf aufgesucht, aber er war nicht wohl- habend. Wir kennen Janikowskis Beamtengehalt. Auch wenn es im besten Fall 4.400 Kronen (2.200 Gulden) betragen haben sollte, konnte er damit gerade sein Leben bestreiten. Tatsächlich bilden Bitten um Geld einen wesentlichen Teil der Briefe an Karl Kraus.588 Oft ging es nur um sehr kleine Beträge, beispielsweise um 10 Kronen oder auch nur um 5 Kronen, um sich Heilmittel, Bücher oder Ziga- retten zu besorgen, oft ging es auch um große Beträge, da er nach kurzen glück- lichen Zeiten in der öffentlichen Anstalt Steinhof höchst unglücklich wurde und ihm von seinen Freunden zur Besserung seiner Gemütsverfassung Aufenthalte in Sanatorien finanziert wurden.589 Die Briefe zeigen uns das Leben eines Patien- ten um die Jahrhundertwende zwischen Steinhof, Sanatorien in Rekawinkel und Abano, ein Leben, das er entsprechend seinen starken Gemütsschwankungen und seinem wechselnden Gesundheitszustand sehr unterschiedlich wahrnahm. Es gab Perioden, wo er sich vor allem in Abano und Rekawinkel, aber sogar manchmal in Steinhof glücklich und gut aufgehoben fühlte. Er erkannte zeitweise, welch „großartige“ und für damalige Verhältnisse höchst moderne Einrichtung Stein- hof war.590 Die Krankenanstalt Steinhof, geplant bekanntlich von Otto Wagner in Zusammenarbeit mit anerkannten Designern und Psychiatern, stellte ein Ge- samtkunstwerk dar und hatte den Ruf des modernsten Spitals in Wien für Kranke mit „Wahnvorstellungen“, das viele Besucher anzog.591 Zeitweise war er besessen von der Idee, ein großes Werk zu beginnen und den Roman über den polnischen 1910, H.I.N. 169.161, WIENBIBLIOTHEK IM RATHAUS, Handschriftensammlung, Teil- nachlass Karl Kraus. 588 Beispiele: Janikowski an Karl Kraus, 12. Oktober 1909, H.I.N.169.152, Brief vom 19. Februar 1910, H.I.N.169.157, WIENBIBLIOTHEK IM RATHAUS, Handschriftensammlung, Teil- nachlass Karl Kraus. Diese Bitten um Geld kommen in fast drei Vierteln aller Briefe vor. Im August 1910 (H.I.N. 174.162) bittet er beispielsweise um das Geld zur Beförderung eines Briefes an seine Mutter Eufemia. 589 Auf der Rückseite des Briefs vom 9. April 1910, H.I N. 169.157, WIENBIBLIOTHEK IM RAT- HAUS, Handschriftensammlung, Teilnachlass Karl Kraus, wurde in Bleistiftschrift die Summe einer Sammlung für Janikowski von insgesamt 500 Kronen notiert, von Loos stammten 40, von Karl Kraus 180 Kronen. 590 Janikowski an Karl Kraus, Abano, 12. 12. 1909, H.I.N. 169.155; von Steinhof, November 1909, H.I.N. 169.154, Jänner 1910, H.I.N. 169.156, 28. März 1910, H.I.N. 169.159, von Rekawinkel, 26. Jänner 1911, H.I.N. 169.172, WIENBIBLIOTHEK IM RATHAUS, Handschriftensammlung, Teilnachlass Karl Kraus. 591 GEMMA BLACKSHAW, LESLIE TOPP, Erforschungen des Körpers und Utopien des Irrsinns, S. 38 f.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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