Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Historische Aufzeichnungen
Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
Seite - 283 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 283 - in Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich

Bild der Seite - 283 -

Bild der Seite - 283 - in Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich

Text der Seite - 283 -

283 VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes Beamtenstand kamen. Nach einem flüchtigen Blick in die Liste der Unterrichtsmi- nister ergaben sich ähnliche Verhältnisse. Das bedeutet, dass nicht nur die Verwal- tung des Landes, sondern auch in einem massiven Ausmaß die politische Kultur Kakaniens von Beamten geprägt war, von denen vermutlich die meisten auch als Politiker wie Beamte agierten. Es nimmt daher nicht wunder, dass in Cisleitha- nien eine besondere „politische Kultur des Etatismus“ ausgebildet werden konnte, deren vornehmste Träger die Beamten waren und die tief greifend das gesamte öffentliche Leben prägte.618 Daraus erklärt sich auch der Grundzug der österreichi- schen Politik vor dem Ersten Weltkrieg, der als eher konflikt- und handlungsscheu, aber doch zäh und bedachtsam bezeichnet werden kann. Die Einberufung reiner Beamtenregierungen, wie unter Ministerpräsident Eduard Taaffe, noch mehr der Beamtenkabinette, die zu Zeiten des politischen Stillstands in der zweiten Hälfte der 1890er-Jahre berufen wurden, da wegen der mangelnden Mehrheiten im Par- lament von den Parteien keine Regierung gebildet werden konnte, sprechen für sich: Die Beamten, „die großen Sektionschefs“, waren die einzigen, die in Zeiten der Krisen und des Notstandsparagrafen die nötige Ausbildung, Kenntnisse sowie Fähigkeiten aufwiesen und das Vertrauen des Kaisers besaßen, den Staat zu lenken. Dass es gerade die Beamtenkabinette waren, die den Notstandsparagraf 14 ausgie- big anwandten, ist ebenso aufschlussreich.619 Der Befund lässt auf eine autoritäre Grundeinstellung, zumindest auf ein mangelndes Vertrauen in die parlamentari- schen Abgeordneten schließen, was angesichts der Tumulte im Abgeordnetenhaus im ausgehenden 19. Jahrhundert nicht ganz ungerechtfertigt erscheint. Er demons- triert gleichzeitig auch das Selbstvertrauen sowie das Selbstbewusstsein dieser bü- rokratischen Eliten, gleich Mandarinen den Staat zu beherrschen. So geheim wie eingangs angenommen waren also der Einfluss und die Macht der bürokratischen Eliten nicht, obwohl die Frage kaum in der Öffentlichkeit thematisiert wurde. Wenn Manfried Welan diagnostiziert: „Österreich war seit 1867 ein Rechtsstaat mit großer Rechtssicherheit. Aber eine Demokratie war es nicht“,620 so entsprachen diese politischen Verhältnisse der Arbeit der Beamten in Verwaltung und Regie- rung. Aus den gehorsamen Rebellen waren mächtige Mandarine geworden. Die politisch-soziale Reputation war so stark ausgeprägt, dass sich gerade das Beamtentum noch als Identifikationsfaktor für die Bürger des neuen Staates der 618 ERNST HANISCH, Der lange Schatten des Staates. Österreichische Gesellschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert (Wien 1994), MANTL, Liberalismus und Antiliberalismus, S. 21–29. 619 Nach der Dezemberverfassung vom 21. Dezember 1867, RGBl. Nr. 141/1867. 620 MANFRIED WELAN, Verfassung. Aphorismen und Assoziationen (o. O. 2011), S. 9.
zurück zum  Buch Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich"
Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Josephinische Mandarine