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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
Seite - 75 -
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In einem kompositorischen Akt entstehen ineinander verwobene monologi- sierende, selten narrative Texteinheiten (inzwischen vor allem : »Textflächen«), die durch ihren formalen, lautlichen und/oder inhaltlichen Gehalt Assoziati- onen bzw. Assoziationsketten hervorrufen. Die Grenzen zwischen Gattungen und Formen sind kaum mehr erkennbar, auch die auftretenden Figuren sind nicht als psychologisch-einheitliche Charaktere aufzufassen, sondern als »Ver- mischungs-, Verschränkungs-, Kunst- und Kippfiguren«396, aus denen Stimmen des Bewussten wie auch des Unbewussten sprechen.397 Jelineks Sprache »tummelt sich selbst im Wahnsinn«398, befindet Barbara Alms. Für die Rezeption bedeutet dies, dass sich viele Texte dem unmittelbaren, spontanen Verstehen entziehen. Vor allem in jüngeren Texten ist der inhaltliche »rote Faden« nur schwer erkennbar ; er ist jedoch vorhanden, in die Textflächen eingenäht ; durch die semantische Verkettung der genannten Texteinheiten muss er aus der Tiefe erst hervorgeholt werden, immer in direkter Abhängigkeit vom Rezeptionsprozess. Viele Jelinek-Texte zielen auf ein assoziatives Rezepti- onsverständnis ab. Die Autorin selbst glaubt, unter einem krankhaften Assozi- ierungszwang zu stehen : »Irgendwie sind meine Ganglien offenbar so lose verdrahtet, daß ich einen ständigen Assoziierungszwang habe. Wenn ich ein Wort höre, auch im Alltag, muß ich zwanghaft sofort Alliterationen, Paraphrasen, Metathesen herstellen, Silben vertauschen.«399 Nun pflegt Elfriede Jelinek die Angewohnheit, zwar sehr schnell und viel zu schreiben, ihre Texte aber immer wieder zu überarbeiten, bis diese in einer Form sind, mit der sie zufrieden ist400, was wiederum als Hinweis dafür gel- ten kann, dass sie die Elemente ihrer Texte nicht zufällig aneinanderreiht, son- dern tatsächlich einen kompositorischen und klangästhetischen Plan verfolgt. Außerdem gilt sie als »Fanatikerin der sauberen Seite«401, die im Zeitalter der Schreibmaschine ganze Manuskriptseiten neu abgetippt hatte, wenn sie feh- lerhaft gewesen waren.402 Was Jelineks Neigung zum wiederholten Überarbei- ten zweifelsohne entgegenkommt und darüber hinaus ihren »anarchischen«403 Schreibstil befördert, ist die Tatsache, dass sie schon sehr früh den Computer 396 Lücke, Elfriede Jelinek, S.  9. 397 Vgl. ebd., S.  8  f. 398 Alms, Triviale Muster, S.  31. 399 Jelinek, zitiert nach : Meyer, Sturm und Zwang, S.  72. 400 Vgl. Mayer/Koberg, Ein Porträt, S.  78. 401 Ebd., S.  146. 402 Vgl. ebd. 403 Fuchs/Jelinek, »Man steigt vorne hinein…«, S.  20. 75 Poetologische Einführung  |
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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