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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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Zur Verbreitung von faschistoiden Inhalten trage die »Kronen Zeitung«, die stets gegen die »Ausländerbagage«503 hetze, wesentlich bei. Als einer der schlimmsten Hetzer gegen »Ausländer, Intellektuelle und linke Künstler«504 tritt etwa der langjährige Krone-Kolumnist »Staberl« in »Stecken, Stab und Stangl« als FLEISCHER in rosa Häkelkleidung mit einem übergestülpten, ge- häkelten Schweinskopf auf.505 Dieses Theaterstück verfasste Jelinek, nachdem vier Roma im burgenländischen Oberwart 1995 von einer Rohrbombe getötet worden waren. Das Attentat führte schlimmerweise nicht nur zu Reaktionen wie Entsetzen und Mitgefühl, sondern riefen auch den damaligen FPÖ-Obmann und umstrittenen Rechtspopulisten Jörg Haider auf den Plan, der öffentlich die Ansicht vertrat, die Roma hätten an ihrer Ermordung möglicherweise selbst Schuld gehabt : So stellte er die Meinung in den Raum, dass ein Konflikt bei ei- nem Waffengeschäft, einem Autoschieberdeal oder um Drogen hinter dem An- schlag stecken könnte  – eine Aussage, die Jelinek offensichtlich so schauderhaft fand, dass sie diese als Zitat ihrem Theaterstück voranstellte.506 Auch sollen die ermittelnden Polizeibeamten den Hinterbliebenen eines Opfers dazu aufgefor- dert haben, er möge doch endlich zugeben, dass sein getöteter Stiefbruder selbst den Sprengstoff besorgt habe.507 So wird in »Stecken, Stab und Stangl« nicht das Geschehene selber, also das Rohrbomben-Attentat, sondern vielmehr das Sprechen darüber in den Mittelpunkt gestellt, wobei die ermordeten Roma eine Art roten Faden für das Stück bilden, das  – wie sämtliche neuere Theaterstü- cke Jelineks  – keine lineare Handlung verfolgt, sondern als Aneinanderreihung von monologisierenden Textflächen gestaltet ist und stark auf der assoziativen Ebene arbeitet. Mit dem Titel bezieht sich die Autorin auf die Psalmen Davids : In Psalm  23 heißt es : »Dein Stecken und Stab trösten mich«, wobei »Stab« eine offenkundige Anspielung auf den Kolumnisten »Staberl« darstellt. Mit »Stangl« ist Franz Stangl, der Kommandant des Konzentrationslagers Treblinka, gemeint, worauf Jelinek in einem Interview selbst hingewiesen hat.508 503 Ebd. 504 Ehlers, Die Faschismuskritik der Elfriede Jelinek, S.  4. 505 Vgl. Jelinek, Stecken, Stab und Stangl, Beschreibung des Fleischers in der Regieanweisung auf S.  22. 506 Vgl. Jelinek, Stecken, Stab und Stangl, S.  15. 507 Vgl. Ehlers, Die Faschismuskritik der Elfriede Jelinek, S.  3. Ehlers zitiert aus diversen profil-Artikeln zu dem Attentat und dessen Reaktionen : profil Nr.  07,  1995 und profil Nr.  34,  1995. 508 Das Interview »Ich bin im Grunde ständig tobsüchtig über die Verharmlosung«, das Stefanie Carp mit Jelinek geführt hat, kann unter dem Link »Zum Theater« auf Jelineks Homepage nachgelesen werden. Vgl. auch Ehlers, Die Faschismuskritik der Elfriede Jelinek, S.  4  f. (Sie bezieht sich vermutlich auf Jelineks Erläuterungen in diesem Interview.) 91 Poetologische Einführung  |
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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