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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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Nun, eigentlich forderte die Autorin nicht dazu auf, ihre spezielle Zitations- praxis zu untersuchen, sondern stellte  – in typischer Jelinek-Manier  – süffisant fest, dass die Germanisten dies eben tun, obwohl sie es ja »nicht sollen«33. Wie aber soll nun mit Texten verfahren werden, um deren Intertextualität man weiß, wenn man diese eben nicht untersuchen soll ? Dazu sind zwei grundlegende Feststellungen zu treffen, die einmal für und einmal gegen die Intertextualität als Methode sprechen. Auf der einen Seite sind die intertextuellen Bezüge bei Jelinek vielfach un- markiert und können daher nur zum Teil entschlüsselt werden. Natürlich gibt es aber viele unmarkierte Bezüge, deren Verweischarakter trotzdem eindeutig ist, weil darin gängige Zitate oder Motive aufgegriffen werden. Wenn Jelinek etwa von einem Politiker schreibt, der sich »›wenn Sie so wollen, entschuldige ich mich halt‹ eben irgendwie entschuldigt«34, dann ist für (zumindest öster- reichische) Zeitgenossen klar, dass diese Passage eine Aussage des langjähri- gen FPÖ-Obmanns Jörg Haider imitiert, ohne dass dieser namentlich genannt oder das Zitat als solches kenntlich gemacht werden muss. Manchmal gibt Je- linek ihre Vorlagen aber auch dezidiert an, so sind etwa dem »Rechnitz«-Stück Danksagungen an David R.  L. Litchfield, Friedrich Nietzsche und Euripides angeschlossen.35 In einer Regieanweisung ihres »Burg theater«-Stücks verweist die Autorin mit der Bemerkung »Raimund, schau oba«36 auf Ferdinand Rai- munds Theatermärchen und deren allegorische Figurenwelt, auch wenn diese in weiterer Folge ironisiert und konterkariert werden. Auch in (mündlich oder schriftlich geführten) Interviews hat Jelinek wiederholt auf Querverbindungen ihrer Texte zu bestimmten anderen Texten hingewiesen. Es scheint ihr also in bestimmten Fällen wichtig gewesen zu sein, die jeweiligen Prätexte (mehr oder weniger eindeutig) auszuweisen. Auf der anderen Seite arbeiten viele der Jelinek-Texte vorwiegend auf einer assoziativen Ebene, in der es darum geht, scheinbar natürliche Bilder zu erzeu- gen, um sie im nächsten Moment zu brechen (= als konstruiert zu entlarven). Auch innerhalb eines intertextuellen Rahmens gibt es diese assoziativen Ebenen auf zum Teil vielfältige Art und Weise. Gerade Jelineks Theatertexte werden von der Parallelität und mitunter auch Widersprüchlichkeit der Sprech- und Aktionsebene(n) dominiert : »Die Disparatheit von Gebärde, Bild und Sprache öffnet die Möglichkeit des freien Assoziierens«37, so die Autorin. 33 Jelinek, Lesen kann vernichten, S.  67  f. 34 Dies., Schamlos : die Zeit, S.  3. 35 Vgl. dies., Rechnitz, S.  205. 36 Dies., Burgtheater, S.  143. 37 Dies., Ich will kein Theater, S.  32. 104 | Methodische Reflexion Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische EinfĂĽhrung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. ResĂĽmee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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