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gewünschte Anpassen und der Habitus des Befehlenden, der für die Figur cha-
rakteristisch ist. Mit dieser Aufforderung nach sprachlicher Anpassung hat Je-
linek ihrer Figur eine Passage in den Mund gelegt, die sie einem Rundschreiben
des Produktionschefs der »Wien«-Film, Karl Hartl, entnommen haben dürfte,
worauf bei Steiner hingewiesen wird61 :
Prätext (Karl Hartl) Posttext (Jelinek)
»Von unserer vorgesetzten Behörde
werde ich darauf hingewiesen, mit beson-
derer Sorgfalt darauf zu achten, daß in
unseren Filmen der Wiener Dialekt oder
der Dialekt der Alpen- und Donaugaue
so abgestimmt wird, d. h. dem in Groß-
deutschland allgemein verständlichen
Schrift- und Hochdeutsch angepaßt
wird, daß unsere Filme dem deutschen
Publikum aller Stämme verständlich
bleiben.«62 Schorsch : »… Der Ernst der Stunde
verlangt gebieterisch noch einem in
Großdaitschlond ollgemein verständli-
chen Schrift daitsch.«63
Mit seinem offensiven Auftreten forciert Schorsch den Abschied vom Öster-
reichertum und der österreichischen Sprache bzw. den österreichischen Dialekten.
Er beweint dies auch nicht. Natürlich müsste auch die Auswahl der Rollen den
geänderten Verhältnissen, also der Weltanschauung und den propagierten Idealen
des neuen Regimes, angepasst werden, drängt und befiehlt Schorsch wieder-
holte Male, ohne den Sinn oder die Legitimität dieser dabei zu hinterfragen :62 63
Schorsch gutmütig, brav : Was i dir neilich scho sagen wollt, Kathi, mir missen unsane
Rollen jetzn, vasteht, itzo a weng… ändern. Anpassn den veränderten Zeitläuften. Dem
Verlangen vom Hoamatl… staatspolitisch besonders wertvoll !64
Schorsch : Oba Schluß itzo mitm monarchistischen Gschlader ! Schluß mit die
scheenen Uniformen ! Mir missen itzo ein daitsches Filmerl mochen. (…)65
Schorsch : Ihr spüts daitsche Siedler im Polnischen. Echte polenvernichtunswillige
Recken !66
61 Vgl. Steiner, Die verdrängten Jahre, S. 182.
62 Hartl, ebd.
63 BT, S. 134.
64 BT, S. 132.
65 BT, S. 151.
66 BT, S. 155. 119
»Burg
theater« |
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Eine historiografische Untersuchung
- Titel
- Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
- Untertitel
- Eine historiografische Untersuchung
- Autor
- Sylvia Paulischin-Hovdar
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20325-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 328
- Schlagwörter
- Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- 1. Einleitung 11
- 2. Methodische Reflexion 99
- 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
- 3.1 »Burg theater« 108
- 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
- 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
- 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
- 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
- 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
- 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
- 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
- 3.3 »Das Lebewohl« 247
- 4. Resümee 279
- 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
- 6. Anhang 299
- 7. Register 319