Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Historische Aufzeichnungen
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
Seite - 129 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 129 - in Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung

Bild der Seite - 129 -

Bild der Seite - 129 - in Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung

Text der Seite - 129 -

als allein schuldige für den Nationalsozialismus ausgemacht wird128, destruiert diese jedoch gleichzeitig, denn über Figuren wie Istvan wird deutlich gemacht, dass die jeweilige Führerperson nur erfolgreich sein kann, wenn viele Einzelne (die »Vielen«129) ihren Vorgaben folgen oder sich jedenfalls nicht widersetzen. Insofern ist auch Istvan in das von Fromm beschriebene Muster des »au- toritären Charakters« einzureihen, wenn auch eine Stufe unter Schorsch : Er (Istvan) bewundert gleichermaßen die Autorität (Schorsch), wie er danach strebt, sich ihr zu unterwerfen.130 Die Unterwerfung unter die Autorität bedeu- tet gleichzeitig die (willkürliche) Machtausübung über andere, schwächere Ket- ten des Glieds (etwa Käthe, Resi, den Alpenkönig) wie auch das Abgeben von Verantwortung. 131 Im zweiten Teil des Stücks, als der Untergang des Nationalsozialismus bereits besiegelt ist und die Rote Armee vor den Toren Wiens steht, verlässt sich Istvan wiederum auf Schorsch und dessen Spürsinn, gibt also sogar in dieser Situation, in der das eigene Leben gefährdet ist, die Verantwortung ab : »Der Schorschi wird uns als der ollernaicheste Patriot bei die Russen scho aus- sihaun !«132, beschwört er Käthe, die aus Angst vor der nahenden Besatzung halbherzige Selbstmordversuche unternimmt. So wie Schorsch Verantwortung externalisiert, indem er sein Unrechtsbe- wusstsein mit Pflichterfüllung fürs Regime rechtfertigt, externalisiert Istvan seinerseits Verantwortung, indem er sie an Schorsch, das nächsthöhere Glied der familieninternen Hierarchie, abgibt  – ein Verhaltensmuster, wie es in den Opfermythostheorien in größerem Maßstab beschrieben wird. Vor sich selbst rechtfertigt er seine Mitläuferschaft, die er nun, im Angesicht der militärischen Niederlage des Regimes, zwar zu erkennen, wohl aber nicht »denkend zu ver- arbeiten«133 scheint, mit seinen schauspielerischen Erfolgen, die er während der NS-Zeit erbracht hat : Istvan : Nur den Mut net sinken lossen ! In daitscher Herde hofgastein, aber nur, wann der Russe wirklich kimmt. Donn zeigen wir ihm, wos mir in der Zwischenzeit gemocht hoben. Nämmlich wurde ich unter Max Reinhardt der beste Jedermann ! Jawull !134 128 Vgl. ebd. 129 Lüdtke, Macht der Emotionen, S.  54. 130 Vgl. Kapitel  1.4.1 dieser Studie. 131 Vgl. ebd. 132 BT, S.  166. 133 Erdheim, zitiert nach : Ziegler/Kannonier-Finster, Österreichisches Gedächtnis, S.  77. Vgl. Kapitel  1.4.4 dieser Studie. 134 BT, S.  166. 129 »Burg theater«  |
zurück zum  Buch Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung"
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek