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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
Seite - 145 -
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»Sehr wichtig ist die Behandlung der Sprache, sie ist als eine Art Kunstsprache zu ver- stehen. Nur Anklänge an den echten Wiener Dialekt ! Alles wird genauso gesprochen, wie es geschrieben ist. Es ist sogar wünschenswert, wenn ein deutscher Schauspieler den Text wie einen fremdsprachigen Text lernt und spricht.«215 Schon in der Regieanweisung wird damit der Bezug zu Barthes’ Mythentheo- rien deutlich : Eine Kunstsprache, die natürlich sein will, gekünstelte Figuren, die authentisch sein wollen  – all das widerspiegelt das Prinzip der Umwandlung einer bewussten Intention in eine vermeintlich unschuldige Wahrheit. Denn der Mythos verwandelt Geschichte in Natur. Er soll bestimmte Sachverhalte (hier : die Sprache) natürlich erscheinen lassen, deren Entstehung bewusst mo- tiviert war und von Menschenhand vorgenommen wurde, um einen bestimmten Zweck zu verfolgen. Relevant für seine Bedeutung ist nicht sein Inhalt, sondern seine Form.216 Um den destruktiven Effekt auf der Sprechebene zu verstärken, hat Jelinek (in ihren mitunter recht ausführlichen Regieanweisungen) eine den Text beglei- tende, aber meist konterkarierende Aktionsebene eingebaut. Die Asynchronität zwischen enthemmter Action und raffiniertester Sprachlichkeit sei »meist auf- reizend«, in jedem Fall aber »entlarvend«217, so die Rezensentin Sigrid Löffler. Auch hat die Autorin filmische Darstellungsformen wie die Slapstick-Komik des Stummfilms (»heiterste Stummfilmhölle«218) in ihr Stück integriert219, wel- che die Wirkung der Aktionsebene zusätzlich unterstreichen. Über die demonstrativ künstliche Bühnensprache und -aktion wird nicht nur die Authentizität der Figuren, die Publikumslieblinge des Burg theaters und des deutschsprachigen Nachkriegsfilms verkörpern, als Mythos destru- iert. Jelinek greift damit auch den Mythos des Wiener Burg theaters an, denn dieses gilt als das Synonym kultureller Identität, als repräsentativer Schauplatz herrschender Hochkultur in Österreich, das so genannte »Burg theaterdeutsch« als sprachliches Ideal.220 Nicht nur die Figuren sind als Schablonen zu be- greifen, sondern auch das Burg theater an sich wird als schablonenhafter Ort vorgeführt, denn interessanterweise sind die Rollen, in welche die Figuren auf der Aktionsebene schlüpfen und über die sie sprechen, meist keine Theater-, sondern Filmrollen.221 215 BT, S.  130. 216 Vgl. Kapitel  1.4.3 dieser Studie. 217 Löffler, Erhalte Gott dir deinen Ludersinn, S.  219. 218 Ebd., S.  218. 219 Vgl. Hochholdinger-Reiterer, Amok, S.  49. 220 Vgl. ebd., S.  47. Vgl. auch Annuß, Theater des Nachlebens, S.  61. 221 Vgl. Annuß, Theater des Nachlebens, S.  61. 145 »Burg theater«  |
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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