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Figuren ins Übermenschliche, ich mache also Popanze aus ihnen«, so die Auto-
rin. Nicht um »abgerundete Menschen mit Fehlern und Schwächen«, gehe es ihr,
sondern um »Polemik, starke Kontraste, harte Farben, Schwarz-Weiß-Malerei ;
eine Art Holzschnitttechnik«281.
Wiederholt ließ die Autorin ausdrücklich ausrichten, dass es sich im kon-
kreten Fall um »ein Stück über Sprache, aber nicht ein Stück über Personen«282
handle. »Burg theater« sei zwar »an realen Personen orientiert, die in der Zeit des
Faschismus berühmte Schauspieler waren…, aber nicht die Personen als solche
sind mir wichtig gewesen, sondern das, wofür sie standen, was sie repräsentieren,
wofür sie sich zum Werkzeug machten«283. Dennoch ließ sich die Autorin – al-
len Beteuerungen zum Trotz, in dem Stück gehe es um den Missbrauch der
Sprache, nicht um die Denunziation realer Personen – zu einigen öffentlichen
Äußerungen über Paula Wessely und die Hörbiger-Brüder hinreißen, mit wel-
chen sie auf eben jene Kritiken einging, die sie als fehlgeschlagen betrachtete,
wodurch sie für die Presse umso angreifbarer wurde.
So meinte sie etwa in Paula Wessely eine Schlüsselfigur der österreichischen
Theater- und Filmgeschichte zu erkennen, die sich durch ihre vorgeschobene
Naivität in diesen Jahren persönlich schuldig gemacht habe, was in Österreich
nicht bemerkt werden wolle. Ucickys »Heimkehr«-Film, in dem Wessely die
Hauptrolle gespielt hatte, sei »der schlimmste Propagandaspielfilm der Nazis
überhaupt«284 gewesen. Wesselys Mitwirkung sowohl an ablenkenden Filmen
als auch an diesem Propagandafilm werde bis heute unterschätzt :
»Man darf nicht vergessen, daß Paula Wessely der höchstbezahlte weibliche Star der
Nazizeit war. Das Argument einer ›unpolitischen Frau‹ … kann ich nicht akzeptieren.
(…) Ich habe Paula Wessely nie für eine große Schauspielerin gehalten. Sie hat nur
einen Ton gehabt, und besonders mißfallen hat mir ihr prononciertes Natürlichsein…
es war eine Art Natürlichkeitsschleim, den sie über ihr Spielen breitete. … Dieser Na-
türlichkeitswahn, der etwas Künstliches in Natur verwandeln will, liegt auf einer Linie
mit der Naturhaftigkeit der Geburt in Blut und Boden des Vaterlandes. … Ihre Person
ist das genaue Gegenteil von dem, was ich für interessant halte am Theater.«285
Die Frage, ob die Wessely/Hörbigers für die Figuren von Jelineks »Burg theater«-
Stück Pate gestanden haben, muss tatsächlich positiv beantwortet werden
– auch
281 Dies., Ich schlage sozusagen mit der Axt drein, S. 14.
282 Dies., zitiert nach : Friedl, Die Tiefe der Tinte, S. 44.
283 Dies., Ich schlage sozusagen mit der Axt drein, S. 16.
284 Dies., zitiert nach : http://www.elfriedejelinek.com (Zugriff am 23.8.2005).
285 Ebd. 159
»Burg
theater« |
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Eine historiografische Untersuchung
- Titel
- Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
- Untertitel
- Eine historiografische Untersuchung
- Autor
- Sylvia Paulischin-Hovdar
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20325-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 328
- Schlagwörter
- Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- 1. Einleitung 11
- 2. Methodische Reflexion 99
- 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
- 3.1 »Burg theater« 108
- 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
- 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
- 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
- 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
- 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
- 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
- 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
- 3.3 »Das Lebewohl« 247
- 4. Resümee 279
- 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
- 6. Anhang 299
- 7. Register 319