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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
Seite - 172 -
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Schließlich ist es das Privileg der Schriftsteller, die Welt schauend und schreibend zu kommentieren und in diesem Sinne auch Gesellschaftskritik zu üben. Diese will nicht gefallen, sondern steht »im Dienste einer politischen Aus- sage«369 und kann sich  – wie im konkreten Fall  – eben auch gegen Publikums- lieblinge richten. Die in dem Stück angegriffenen Personen führten selbst ein öffentliches Leben und übten starke Vorbildfunktion für mindestens eine Gene- ration von Österreichern aus. Gerade Paula Wessely  – die Wessely  – wird gerne als »österreichische Institution« oder »Vorzeigeösterreicherin« bezeichnet : »Wenn Paula Wessely bei diversen Lesungen die österreichische Bundeshymne der Zweiten Republik vortrug, bedeutete dies mehr als nur eine Demonstration großer heimischer Sprechkunst. Sie selbst galt gleichermaßen als Paradeösterreicherin wie Vorzeigewienerin (ein Image, zu dem sie selbst durch ihre Rollenauswahl nicht wenig beigetragen hat).«370 Abgesehen von der Debatte um Jelineks Skandalstück ist die Involvierung der Schauspielerdynastie Wessely/Hörbiger in die NS-Propagandamaschinerie in der Zweiten Republik niemals öffentlich diskutiert worden. Trotz dieser kon- kreten Bezüge zu realen Persönlichkeiten können/müssen die Protagonisten des »Burg theater«-Stücks  – und dies ist kein Widerspruch  – als exemplarische Figuren gelten, stehen sie doch für die Verstrickungen einer gesamten Künst- lergeneration in den nationalsozialistischen Machtapparat.371 Werner Krauß, Marika Röck oder Leni Riefenstahl wären als Figuren in einem entsprechenden Jelinek-Stück ebenso wenig gut weggekommen. Jelinek wählte aber die Wes- sely/Hörbigers, weil es ihr vermutlich genau um jenen Österreich-Bezug ging, den sie über besagte Schauspielerfamilie herstellen konnte : die Potenzierung der Opferthese in Gestalt österreichischer Publikumslieblinge372, die aus beruf- lichem Opportunismus mit einem verbrecherischen Regime kooperierten, die Verknüpfung mit dem Mythos Burg theater und die Destruktion der scheinbaren Idylle österreichischer Heimatfilme, über die der faschistische Sprachgebrauch aus dem Nationalsozialismus in die Zweite Republik transferiert und dort als Allgemeingut konserviert wurde : »Schauspieler, österreichische Volksschauspieler … sind wir alle, die wir uns  – in größe- rem oder kleinerem Repertoire  – dieser von Kultur und Ideologie gesättigten, kompro- 369 Fuchs/Jelinek, »Man steigt vorne hinein…«, S.  20. Vgl. auch Kapitel  1.6.1 dieser Studie. 370 Steiner, Die verdrängten Jahre, S.  9. 371 Vgl. die ähnliche Einschätzung von Hochholdinger-Reiterer, Amok, S.  50. 372 Vgl. ebd., S.  47. 172 | Lektüre- und Deutungsvorschläge Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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