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Die wenigen vorliegenden Deutungsvarianten sind meist sehr kurz und allge-
mein gehalten. Im Feuilleton hatte der Roman sogleich den »geschäftsschädi-
genden Ruf der Unlesbarkeit«379 weg.
Von Seiten der germanistischen Forschung sind einige kleinere Beiträge vor-
handen, die vor allem seit der Jahrtausendwende publiziert wurden. Zwar hatte
Sylvia Mindlberger bereits 1996 im Rahmen ihrer in Salzburg approbierten Di-
plomarbeit die Konzeptuierung des »Heimat«-Begriffs in dem Roman hinter-
fragt, ihre Arbeit wurde jedoch nicht veröffentlicht.380
In Pia Jankes Dokumentationsband »Die Nestbeschmutzerin« aus dem Jahr
2002 findet Jelineks Opus Magnum interessanterweise gar keine Erwähnung –
auch nicht unter dem Kapitel »Rezeption«. Im »Werkverzeichnis«381 des von
Janke geleiteten Jelinek-Forschungszentrums ist immerhin eine Liste der Be-
richterstattung in den Printmedien vorzufinden.
Von Günther Scheidl liegt eine knapp zehnseitige Auseinandersetzung mit
Jelineks Roman vor, die er im Rahmen seiner im Jahr 2003 publizierten Un-
tersuchung über die »Entmythisierung der Zweiten Republik in der österrei-
chischen Literatur von 1985 bis 1995«382 verfasst hatte. Scheidl riss dabei zwar
einige interessante Fragen an, räumte aber abschließend ein, dass er insgesamt
unter dem »Sprachwulst«383 des Buchs leide und sich letztlich frage, wozu der
ganze Aufwand von der Autorin eigentlich betrieben werde.384 Bemerkenswert
ist außerdem seine Einschätzung, dass die Wirklichkeit in Jelineks Texten »bloß
als Steinbruch für das Spiel mit der Sprache«385 diene und sich die Texte einer
Bedeutungszuschreibung verweigern – eine Behauptung, die durch die im Fol-
genden angebotene Interpretation widerlegt werden kann.
In der Online-Zeitschrift Trans veröffentlichte Klaus Kastberger 2005
einen kurzen Artikel mit dem Titel »Österreichische Endspiele : Die Toten
kehren zurück«386. Kastberger wagt darin einen Vergleich zwischen Ödön von
Horváths Theaterstück »Der jüngste Tag«, Hans Leberts »Wolfshaut«-Roman
und Elfriede Jelineks »Die Kinder der Toten«. Die Werke der drei genannten
Größen österreichischen Literaturschaffens seien deren unterschiedlicher his-
379 Mayer/Koberg, Ein Porträt, S. 207.
380 Mindlberger, Das Konzept »Heimat«. Die Arbeit beschäftigt sich mit den drei Texten »Die
Liebhaberinnen«, »Oh Wildnis, oh Schutz vor ihr« und »Die Kinder der Toten«.
381 Janke, Werkverzeichnis, S. 516–520. Das Werkverzeichnis wird derzeit überarbeitet und soll
in aktualisierter Auflage erscheinen.
382 Scheidl, Ein Land auf dem rechten Weg, S. 149–159.
383 Ebd., S. 159.
384 Vgl. ebd.
385 Vgl. ebd., S. 153.
386 Kastberger, Österreichische Endspiele, unpaginiert.
174 | Lektüre- und Deutungsvorschläge
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Eine historiografische Untersuchung
- Titel
- Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
- Untertitel
- Eine historiografische Untersuchung
- Autor
- Sylvia Paulischin-Hovdar
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20325-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 328
- Schlagwörter
- Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- 1. Einleitung 11
- 2. Methodische Reflexion 99
- 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
- 3.1 »Burg theater« 108
- 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
- 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
- 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
- 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
- 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
- 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
- 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
- 3.3 »Das Lebewohl« 247
- 4. Resümee 279
- 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
- 6. Anhang 299
- 7. Register 319