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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
Seite - 187 -
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»Die Vergangenheit besteht aus Phrasen und Legenden. Oder wird sie gleich in Bausch und Bogen gefälscht, geleugnet, weggelogen.«459 Des Weiteren finden sich in Jelineks Roman unzählige intertextuelle Anspie- lungen auf Werbespots, Musikverse aus dem Austropop, aus Volksliedern, der Bundeshymne, Moderationen von Radio-/TV-Sportübertragungen sowie auf Aussagen zeitgenössischer Politiker wieder. Mayer/Koberg verweisen darüber hinaus auf den Schwarz-Weiß-Gruselklas- siker »Carnival of Souls« aus dem Jahr 1962, den sie als einen von Jelineks Lieb- lingsfilmen bezeichnen.460 Das Plot des Films erinnert tatsächlich mitunter an einzelne Komponenten des Romans : Drei junge Frauen lassen sich aus Übermut auf ein Autorennen ein. Ihr Fahr- zeug kommt auf einer schmalen Brücke von der Straße ab und stürzt in einen Fluss. Die junge Organistin Mary scheint als einzige überlebt zu haben : Stun- den nach dem Unfall klettert sie scheinbar unversehrt aus dem Flussbecken. Das Auto liegt am Grunde des Flusses und kann vorerst nicht geborgen werden. Mary verlässt die Stadt, sie hat anderswo ein Engagement als Organistin ei- ner Kirche bekommen. Die junge Frau verhält sich aber merkwürdig : Sie wirkt geistesabwesend und geht auf Distanz zu ihren Mitmenschen. Der Grund dafür ist, dass sie immer wieder von unheimlichen Gestalten verfolgt wird und sich in beängstigenden Entrückungszuständen wiederfindet, in denen sie versucht, auf sich aufmerksam zu machen ; sie wird aber von ihrer Umgebung weder gehört noch gesehen. Im Nachhinein ist es so, als ob nichts geschehen wäre und sie sich bloß alles eingebildet hätte. Dadurch wird MARY immer verschreckter und abweisender, ihre Umgebung hält sie für hysterisch. Der jungen Frau aber wird die Welt der Lebenden zunehmend fremd. Ein verfallender Vergnügungs-Pa- villon in der Nähe der Stadt hingegen strahlt magische Anziehungskraft auf sie aus : Dort scheint das Reich der lebenden Toten, der »Untoten«, zu sein, die Mary zu sich rufen. Warum diese im Pavillon weilen und ein Untoten-Dasein fristen, wird nicht aufgeklärt. Nach glücklosen Versuchen, ihrem Schicksal zu entkommen, gibt Mary dem Ruf der unheimlichen Gestalten nach und folgt ihnen in den Pavillon. Polizei und Bürger der Stadt rätseln über ihr Verschwin- den. Wenig später wird das verunglückte Auto aus dem Fluss geborgen : Nicht 459 So Fritsch in seinem (Leopold Figl auf den Leib geschriebenen) Prosatext »Ein Minister meditiert« von 1963. Vgl. dazu : Zobl, Leben und Werk von Gerhard Fritsch, S.  39. 460 Vgl. Mayer/Koberg, Ein Porträt, S.  200. Die Autoren belegen ihre Behauptung nicht, vermut- lich beziehen sie ihre Information entweder aus persönlichen Gesprächen mit der Porträtier- ten oder aus deren auf der Homepage befindlichen Essay zum Film : http://elfriedejelinek. com (Link »zum Kino«) (Zugriff am 20.6.2011). »Carnival of Souls« ist inzwischen coloriert und von Savoy Film auf DVD erhältlich. 187 »Die Kinder der Toten«  |
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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