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nur die beiden anderen Frauen waren bei dem Unfall ums Leben gekommen,
sondern auch Mary – so die nicht ganz überraschende, aber dennoch gruselige
Pointe des Films.
Wenn auch gewisse Parallelen im Handlungsgeschehen und der Motivwahl
auszumachen sind (zum Beispiel der verhängnisvolle Autounfall am Beginn des
Films und am Beginn des Buchs, der Pavillon im Film und das Betonbecken mit
dem metallenen Wasser im Buch als Heimstätte der lebenden Toten/Untoten),
so muss doch festgestellt werden, dass »Carnival of Souls« dem Gruselgenre
verhaftet bleibt und, anders als »Die Kinder der Toten«, keine tiefgründige Bot-
schaft für sich in Anspruch nehmen kann. Film und Roman haben vor allem
atmosphärische Ähnlichkeiten.
Neben der möglichen Inspiration durch »Carnival of Souls« weist der Ro-
man jedoch einige recht unverhohlene Bezüge zu Prätexten aus dem Bereich
der Literatur bzw. verwandten Bereichen auf. Aus dieser Vielzahl an möglichen
Bezügen sollen im folgenden Kapitel die beiden als wesentlich erachteten be-
sprochen werden : zum einen Sigmund Freuds Aufsatz »Das Unheimliche« und
zum anderen Hans Leberts Roman »Die Wolfshaut«.
Die Autorin habe mit »Die Kinder der Toten« Freuds Aufsatz literarisch um-
gesetzt, schreiben Mayer/Koberg.461 Tatsächlich können viele der Ausführun-
gen Freuds in Jelineks Roman sehr direkt wiedergefunden werden. Selbst wenn
dieser Bezug von der Autorin nicht intendiert gewesen sein sollte, was unwahr-
scheinlich erscheint, so erhellt er doch in nicht unerheblichem Maße das Text-
verständnis, weshalb in einem ersten Teil des folgenden Kapitels zunächst auf
den Begriff des »Unheimlichen« nach Freud eingegangen wird.
Des Weiteren wurde bereits Jelineks (sehr offenkundige) Referenz auf Hans
Leberts »Wolfshaut«-Roman erwähnt. Dieser wird in der Sekundärliteratur
recht einvernehmlich als einer der wichtigsten Intertexte von »Die Kinder der
Toten« gehandelt. Daher wird auch diese Relation in einem zweiten Teil des
Kapitels in ihren thematischen und konzeptuellen Dimensionen erörtert.
461 Mayer/Koberg, Ein Porträt, S. 204.
188 | Lektüre- und Deutungsvorschläge
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Eine historiografische Untersuchung
- Titel
- Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
- Untertitel
- Eine historiografische Untersuchung
- Autor
- Sylvia Paulischin-Hovdar
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20325-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 328
- Schlagwörter
- Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- 1. Einleitung 11
- 2. Methodische Reflexion 99
- 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
- 3.1 »Burg theater« 108
- 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
- 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
- 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
- 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
- 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
- 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
- 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
- 3.3 »Das Lebewohl« 247
- 4. Resümee 279
- 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
- 6. Anhang 299
- 7. Register 319