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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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manistin Moira Mertens. Mit ihrer provokanten Forderung, nur noch untote Figuren zu verwenden, stelle sich Jelinek klar gegen jede Ästhetik der Verle- bendigung und damit klar gegen gängige abendländische Kulturtechniken und Lesegewohnheiten.496 Indem sie die Figuren ihres Opus Magnum zu untoten Wiedergängern und deren Vervielfältigungen werden ließ, schaffte es Jelinek in »Die Kinder der To- ten«, diesen Anspruch der literarischen Darstellung von schablonenhaftem, ent- lebendigtem und entindividualisiertem Leben in seine größtmögliche drama- turgische Intensität zu steigern, wobei sich die Untoten des Romans sowohl in ihrer Qualität als auch in ihrer Quantität auszeichnen : Auf der einen Seite wer- den exemplarisch Karin Frenzel, Gudrun Bichler und Edgar Gstranz über hunderte Seiten hinweg in ihren unheimlichen Verdoppelungen begleitet und ihre Handlungen und Tode (sowie die Tode ihrer Verdoppelungen) aus ver- schiedenen Perspektiven besichtigt wie etwa in jener eindringlichen Szene des Romans, in der Karin am Rande des Betonbeckens steht und ihre Kopie (»oder ist Karin die Kopie ?«497), die zuvor in den Wildbach gestürzt ist, in dem Be- cken mit dem metallenen Wasser wiederfindet. Auch Gudrun Bichler gibt es »ein zweites Mal«, die Studentin wird wiederholt »von sich selbst beobachtet«498. Während einer Zeitreise hat eine Gudrun-»Doppelgängerin«499 Sex mit einem Unbekannten namens Edgar (eine Verdoppelung von Edgar Gstranz ?) : »Gudrun-draußen-vor der Tür sieht sich jetzt im Anschnitt schräg von hinten … Und knallrot, aus der Weiße des Fleisches wie etwas Ungehöriges … hervorspringend, die spitzige Brustwarze, die in die Hand des Mannes springt und diese knurrend beißt. … Es schaukeln die Brustsäcke voll unzustellbarer Post an dieser zweiten Gudrun …. Ein jeder gießt für sich allein einen Schluck nach, legt noch einen Span aufs Ferkel drauf, und dann verbrauchen sie alle beide gehörig Munition.«500 Auch den sexuellen Handlungen wird in solchen Szenen, in denen ein Zombie in den anderen hineinbohrt und sich durch dessen Körper »fräst«501, jede mensch- liche Regung genommen. Beobachtet wird ein schablonenhafter Zombie- Sex, der natürlich ohne romantische Gefühle, aber auch ohne jede Lust und Begierde ausgeführt wird. 496 Vgl. Mertens, Untote, S.  8  f. 497 KDT, S.  95. 498 KDT, S.  119. 499 KDT, S.  121. 500 KDT, S.  119  f. 501 KDT, S.  121. 194 | Lektüre- und Deutungsvorschläge Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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