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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
Seite - 227 -
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anwachsenden, alles rächenden Mure wird in dem Roman schließlich »eins mit einer Geschichtsapokalypse«709. Die Natur genießt hierzulande einen hohen Stellenwert, denn Österreichs Berge und Seen haben einen hohen konkreten (nämlich finanziellen) Wert für Sommer- und Wintertourismus, die einen wichtigen Faktor für die heimische Wirtschaft darstellen (»Was hat diese vom Tourismus schon ein wenig angekle- ckerte Landschaft sich jetzt wieder für sie einfallen lassen ? Ist es das, was die hier unter Erlebnisurlaub verstehen ?«710) Zum anderen wird die österreichi- sche Natur nach Jelinek dazu missbraucht, um eben jenen Teil der Geschichte, den die österreichische Bevölkerung dem Opfermythos entsprechend seit 1945 zu vergessen sucht, im Barthes’schen Sinne zu »ent-historisieren«711, denn bei Jelinek ist auch die Natur nur scheinbar natürlich : »Der Mensch hat ein moralisches Interesse an diesem hellen Schein, der die Schönheit der Natur ausmacht, er vergißt, daß ers war, der der Natur diesen Schein gegeben hat, indem er sich zu ihr bemühte.«712 Die von der Tourismusindustrie viel strapazierten Bilder von schneebeckten Al- pen, glitzernden Badeseen und verschlafenen Wanderpfaden werden in »Die Kinder der Toten« als Mythos entlarvt, indem immer wieder ihre Unheimlich- keit dargestellt wird : Im Boden der idyllisch scheinenden Natur, die erholungs- hungrige Touristen im Roman durchwandern, liegen Millionen Ermordete (wie »Dünger«713), sogar in der Luft befinden sich diese (»Das Land braucht oben viel Platz …«714), weil das Land gar nicht genug Gräber zur Verfügung stellen könnte. Auf den »unheimlichen«, morbiden Charakter der österreichischen Natur und die Allgegenwärtigkeit der Toten weisen im Text zahlreiche Wortspiele hin : Zum Beispiel zählen »ein paar Millionen Zerquetschte«715 zu den großen Toten des Landes, wie gleich zu Beginn des Romans klargestellt wird, wobei die For- mulierung »Zerquetschte« im Normalfall suggeriert, dass es sich nur um ein paar wenige handelt  – hier sind die »Zerquetschten« allerdings wörtlich zu verstehen. Die Natur wird bei Jelinek ihrer Unschuld beraubt, indem sie als etwas bis- weilen sehr Grausames und Unberechenbares dargestellt ist. Plötzliche Wetter- 709 Mayer/Koberg, Ein Porträt, S.  205. 710 KDT, S.  431. 711 Vgl. Kapitel  1.4.3 dieser Studie. 712 KDT, S.  27 713 KDT, S.  47. 714 KDT, S.  7. 715 KDT, S.  7. 227 »Die Kinder der Toten«  |
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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