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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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»Auch wenn die Hauptlast tragen muss : ich, und die haßerfüllte Linke weltweit zum Dämon gemacht hat : mich. … In den Spiegel schauen können will : ich auch mich. Zö- gern will nicht auch : ich. Mein Vater sein will auch : ich.«920 Im Finale des Texts, einem »Fortissimo« des Egozentrismus, spitzt sich schließ- lich alles nur noch auf das »Ich« der Hauptfigur zu, dessen Wahn-Wutgesang zwischen Schuld und Schuldverleugnung, Vater-Komplex und Mutter-Bindung, Machtbegierde und -verlust oder Machtstillstand, Mordwahn und Untergangs- visionen pendelt921 : »Das Tuch vor Augen, um die Gemordeten zu sehen, brauche nicht : ich. Alle nieder- machen will auch : ich. Alle sein will auch : ich. Kein Stein auf dem andern sein will auch : ich. Die Freiheit sein will auch : ich. Vaters Kind sein will auch : ich. Sags Mutter, sags Vater, sags Mutter, sags Vater. Sag ich. Sag doch : ich ! Die ganze : Zeit !«922 Jelineks Haider-Figur, der Sprecher, erscheint insgesamt als eitler Narziss, der im Monolog seine durch den politischen Rückzug zugefügten Wunden leckt, mit scheinbarer Vernunft jedoch seinen Entschluss begründet. In außerordentlichen Situationen sei »Klugheit nicht verboten«923, lobte sich der Original-Haider selbst für seine Entscheidung zum Rücktritt. Auch diese bemerkenswerte Aussage hat (wortwörtlich) Eingang in Jelineks Theatertext ge- funden.924 Das von der FPÖ unter der Obmannschaft Jörg Haiders deklarierte Selbst- bild, das eine Gesinnungsgemeinschaft zeigt, die patriarchal-faschistische Tugenden wie Stärke, Virilität, Volksgemeinschaft, Kameradschaft, Jagd und Militarismus hochhält, wird durch die Szenerie in »Das Lebewohl«, die einen schön geschminkten, in seiner narzisstischen Eitelkeit verletzten, vielleicht pädophil-homosexuellen Anführer zeigt, dem schöne aber mundtote Knaben Blumen streuen, konterkariert. Alleine durch diese (sehr einfach gehaltene) Ak- tionsebene trägt der Text zur Destruktion des vermenschlichten Mythos Haider bei : Jelinek hält dem propagierten Bild des starken, männlichen, geradlinigen Führers ein Gegenbild vor, das es lächerlich erscheinen lässt und seine Künst- lichkeit entlarvt. 920 LW, S.  34. 921 Vgl. Lücke, Gespenster, S.  118. 922 LW, S.  35. 923 News, Nr.  10, 2000, S.  30. 924 Vgl. LW, S.  17. 260 | Lektüre- und Deutungsvorschläge Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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