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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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inwiefern Jörg Haider als einflussreicher Politiker zur Verharmlosung, aber auch zur Verherrlichung patriarchal-faschistischer Ideale im öffentlichen Bewusst- sein beitrug. Haiders Umgang mit heiklen Themen, insbesondere der österrei- chischen NS-Vergangenheit, wird in dem Text als geschicktes rhetorisches Spiel entlarvt : ein ständiges Mäandern zwischen Schuldeingeständnis und Verurtei- lung auf der einen sowie Leugnung und trotziger Selbstüberhöhung auf der an- deren Seite. Die paradoxe Sprache der Haider-Figur widerspiegelt in raffiniert unscheinbarer Weise das paradoxe österreichische Gedächtnis.31 Eine weitere Besonderheit, die Jelineks Haider-Figur auszeichnet, ist die als »Opfer-Täter-Inversion« bezeichnete Systematik, wonach sich der Sprecher auffällig oft und in verschiedenen Zusammenhängen in die Position eines Op- fers rückt : So sei er etwa ein Verfolgter der Linken, österreichischer Journalisten und Autoren. Wie nebenbei beschreibt Jelinek damit eines der wichtigsten Cha- rakteristika faschistischer Regime, die in ihrem blinden Einheits- und Gemein- schaftswillen stets das auszugrenzen oder gar zu vernichten trachten, was ihrer Definition nach nicht dazugehört  – ein Phänomen, das aktuelle Faschismusthe- orien als »Inklusion« und »Exklusion« bezeichnen. In »Das Lebewohl« ist diese Systematik sprachlich in der rekurrenten Gegenüberstellung von »wir alle« und »die vielen« (bzw. Variationen dieser Formulierungen) realisiert. Immer wieder streut die Autorin Seitenhiebe auf Haiders nationalsozialistisch belastete Fa- miliengeschichte in ihren Text ein, weswegen in diesem Zusammenhang auch einige biografische Informationen zu Jörg Haider und dessen Familie gegeben wurden. Jelineks Sprecher beklagt wiederholt die Peinigung des Vaters und verspricht schließlich Rache, was mit Haiders Eintreten für die Vätergeneration in Zusammenhang gebracht wurde, das von der Forderung nach Anerkennung für die Pflichterfüllung ehemaliger Wehrmachtssoldaten bis hin zur provokati- ven Teilnahme an den jährlichen Ulrichsbergtreffen reichte. Zuletzt wurde der Entstehungskontext, die Ereignisse rund um den Regie- rungswechsel im Februar 2000, kurz erläutert und die exemplarische Funktion der Hauptfigur hervorgehoben. Freilich sei demnach der konkrete Bezug zu Jörg Haider und der Haider-FPÖ vorhanden und von Jelinek, einer deklariert poli- tischen Autorin, gewollt. Dementsprechend sei die erfolgreiche Rezeption des Stücks zeitlich und örtlich eingeschränkt. Doch Jelineks Bühnenmonolog weist über den damaligen Kärntner Landeshauptmann weit hinaus : Es ist der Mono- log eines politischen Verführers, der sich den Willen der Bevölkerung zu Einheit und Gemeinschaft zunutze macht. Darüber hinaus steht die Figur exemplarisch für die ambivalente Erinnerungskultur eines Landes, das es bis zum heutigen Tag nicht geschafft hat, seine historische Schuld zu internalisieren. Insofern wird 31 Vgl. Kapitel  3.3.3.2 dieser Studie. 290 | Resümee Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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