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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek - Eine historiografische Untersuchung
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An diese Idee knüpfte der amerikanische Literaturwissenschafter Stephen Greenblatt mit seinem Modell des New Historicism an.42 Dieses gründet auf der Auffassung, dass Geschichte von einer Vielzahl von Diskursen bestimmt werde, die in der zeitgenössischen Literatur (sofern sie denn Kunst ist) zusam- menlaufen und aufeinandertreffen.43 Die Besonderheit eines literarischen Tex- tes bestehe demnach nicht mehr in seiner ästhetischen Einheitlichkeit, sondern vor allem in seiner Fähigkeit, kulturelle Diskurse in ihrer Vielfältigkeit und bis- weilen auch Widersprüchlichkeit aufzunehmen und darzustellen.44 Greenblatts These entwickle die Möglichkeit, Texte »in Zusammenhang oder gar als Teil von Erinnerungskulturen zu denken«45, befindet die Literatur- und Kulturwissenschafterin Sabina Becker. Die in diesem Sinne unterstellte histo- rische Dimension von literarischen Texten kann mit den Erkenntnissen aus der empirischen Analyse der vorliegenden Untersuchung argumentiert werden. Ge- rade die starke Intertextualität von Jelinek-Texten, die bereits im theoretischen Teil erläutert wurde, verweist auf deren großes Potential zur Widerspiegelung und Brechung diskursiver Konstruktionen von Geschichte. Der österreichische Opfermythos wird in der Literatur Elfriede Jelineks in all seinen Grundfesten und Manövern zur Schau gestellt und destruiert. Aber auch eindimensionale, monokausale Faschismus- und Nationalsozialismustheorien, die im öffentlichen Diskurs, in populärwissenschaftlichen Büchern und Filmen oder der Publizistik mitunter immer noch zur Erklärung des faschistischen Phänomens herangezogen werden, obwohl sich die Geschichtswissenschaft längst von ihnen distanziert hat (These vom Nationalcharakter, Führertheorie, Nationalsozialismus als »Mobilisierungs- und Manipulationsprojekt«46 der politischen Eliten etc.), werden durch die ästhetische Kraft der Jelinek’schen Literatur verworfen. Ja, nur in den Geschichten »sind Menschen zu erkennen«  – doch die Ge- schichte ist den Geschichten nicht »feindlich«47, wie der Schriftsteller Pe- ter Bichsel 1982 noch behauptet hatte, denn auch die Geschichtswissenscha ft schreibt heute viele Geschichten. Mit der Hinwendung zum Einzelnen kommt 42 Greenblatt entwickelte sein Modell im Rahmen einer detaillierten Shakespeare-Studie in den frühen 1980er Jahren und präzisierte es in den Folgejahren. Vgl. Greenblatt, Renaissance Self-Fashioning, sowie ders., Shakespearean Negotiations, sowie ders., Schmutzige Riten, sowie ders., Kultur (New Historicism). 43 Vgl. Becker, New Historicism, S.  175. 44 Vgl. ebd., S.  178. 45 Ebd. 46 Kritisch dazu Bauer, Mobilisierung, S.  288. 47 Das ursprüngliche Zitat lautet : »Die Geschichte ist den Geschichten feindlich, und nur in den Geschichten sind Menschen zu erkennen.« Bichsel, Der Leser, S.  20. 293 Interdisziplinäre Zusammenschau  |
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Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek Eine historiografische Untersuchung
Titel
Der Opfermythos bei Elfriede Jelinek
Untertitel
Eine historiografische Untersuchung
Autor
Sylvia Paulischin-Hovdar
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20325-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
328
Schlagwörter
Elfriede Jelinek, Nationalsozialismus, Faschismus, Opfermythos, Dekonstruktion, Intertextualität
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 7
  2. 1. Einleitung 11
    1. 1.1 Inhalte und Ziele 12
    2. 1.2 Forschungsstand 16
    3. 1.3 Darstellung der Gliederung 20
    4. 1.4 Diskussion der zentralen Begriffe 22
      1. 1.4.1 »Faschismus« 23
      2. 1.4.2 »Nationalsozialismus« 36
      3. 1.4.3 »Mythos« nach Roland Barthes 41
      4. 1.4.4 Der Begriff »Opfermythos« 43
    5. 1.5 Elfriede Jelinek : Annäherung an eine »synthetische Künstlerbiografie« 55
    6. 1.6 Poetologische Einführung 67
      1. 1.6.1 Jelineks ästhetische Position : »Tradition des Sezierens« 67
      2. 1.6.2 Destruktion des Opfermythos : »Das ist mein Angelpunkt« 79
  3. 2. Methodische Reflexion 99
    1. 2.1 Zur Intertextualität 100
    2. 2.2 Darstellung der angewandten Methodik 105
  4. 3. Lektüre- und Deutungsvorschläge 107
    1. 3.1 »Burg theater« 108
      1. 3.1.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 108
      2. 3.1.2 Formales, Setting und Plot 112
      3. 3.1.3 Die Figuren : »Sprachschablonen« 115
      4. 3.1.4 Die Sprache : ein Mythos 143
      5. 3.1.5 Die Rezeption : ein Skandal 155
      6. 3.1.6 Die Wessely/Hörbigers : eine Potenzierung des Opfermythos 158
    2. 3.2 »Die Kinder der Toten« 173
      1. 3.2.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 173
      2. 3.2.2 Formales, Setting und Plot 181
      3. 3.2.3 Referenzen und Intertexte 186
      4. 3.2.4 Die Erzählinstanz als multiperspektivische Kunst- und Kippfigur 203
      5. 3.2.5 Der Opfermythos als perfides Geflecht nationaler Mythen 213
      6. 3.2.6 »Die Kinder der Toten« : Die große Anklage 245
    3. 3.3 »Das Lebewohl« 247
      1. 3.3.1 Zur verwendeten Sekundärliteratur 247
      2. 3.3.2 Formales, Setting und Plot 250
      3. 3.3.3 Der Sprecher : Destruktion eines vermenschlichten Mythos 252
      4. 3.3.4 Entstehungskontext und Rezeption 274
  5. 4. Resümee 279
    1. 4.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 280
    2. 4.2 Interdisziplinäre Zusammenschau : Zum »Mehrwert« von Literatur 291
  6. 5. Epilog – Wir waren’s nicht ? 296
  7. 6. Anhang 299
    1. 6.1 Literaturverzeichnis 300
      1. 6.1.1 Primärliteratur 300
      2. 6.1.2 Sekundär- und Referenzliteratur 301
      3. 6.1.3 Zeitungen und Zeitschriften 316
      4. 6.1.4 Filme und TV-Beiträge 317
      5. 6.1.5 Internet-Seiten 317
    2. 6.2 Abbildungsverzeichnis 318
  8. 7. Register 319
    1. 7.1 Personenregister 319
    2. 7.2 Sachregister 321
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