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27Fotografisch
illustrierte Wochenzeitungen
getriebe wollen wir den Erscheinungen der Kunst,
des Theaters, des Familien- und socialen Lebens mit
Feder und Griffel folgen.“13 Und weiter heißt es: „Die
‚Wiener Bilder‘ werden in erster Linie, jedoch ohne
engherzige Begrenzung, das vaterländische Element
in Wort und Bild pflegen. Sie sollen das reiche Leben
und die unvergängliche Pracht unserer Kaiserstadt
widerspiegeln.“14 Abb. 4 Wiener Bilder. Illus-
trirtes Sonntagsblatt, 7. März
1897,
Titelseite. Foto: Atelier
Rudolf Krziwanek.
Sie versucht zunächst den Spagat zwischen tradi-
tionellem Familienblatt und moderner illustrierter
Wochenzeitung. 1899 geht die Zeitung in den Besitz
des Druckereiunternehmers Jacques Philipp über, der
nun auch als Herausgeber fungiert. Nun stabilisiert
sich die ökonomische Lage. Nach 1900 wird das Blatt
grafisch modernisiert und entwickelt sich nach und
nach in Richtung einer Illustrierten. In ihrer Auflage
und Bedeutung bleibt die Zeitung freilich stets im
Schatten des eindeutigen Marktführers Das interes-
sante Blatt, aber auch der Wiener Bilder, der zweiten
großen österreichischen Wochenillustrierten. Genaue
Zahlen über die Auflagenentwicklung dieser beiden
Zeitungen vor dem Ersten Weltkrieg sind nicht be-
kannt. Nachdem aber beide Blätter in ihrer Blütezeit
Ende der 1920er Jahren wöchentlich unter 50 000 ver-
kauften Exemplaren bleiben, ist zu vermuten, dass
ihre durchschnittliche Auflage um 1900 deutlich da-
runter liegt.11 Nur im Falle außerordentlicher Ereig-
nisse (wie dem eingangs erwähnten Serienmord) ge-
lingt es den beiden Zeitungen, ihre Auflage punktuell
in die Höhe schnellen zu lassen. Die Reichweite der
Österreichischen Illustrirten Zeitung, der dritten größe-
ren illustrierten Zeitung, liegt weit hinter jener des
Interessanten Blattes und der Wiener Bilder zurück.12
Die 1896 vom Journalisten und Schriftsteller Vin-
zenz Chiavacci gegründeten Wiener Bilder (Abb. 4)
erscheinen wöchentlich am Sonntag. Ihre Linie ist
konservativ, kaisertreu und patriotisch. Aus den
aktuellen politischen Debatten halten sie sich weit-
gehend heraus. Sie wenden sich an ein bürgerliches
und kleinbürgerliches Publikum. Im Unterschied
zum Interessanten Blatt sind sie stärker auf Wien
und Umgebung bezogen, in der Wahl reißerischer
Themen sind sie zurückhaltender. Voyeuristische
Sex-and-Crime-Berichterstattung finden wir in die-
ser Zeitung seltener als im Interessanten Blatt. Dafür
wird, wie das Vorwort des Herausgebers in der ersten
Nummer zeigt, versucht, gutbürgerlichen kulturel-
len Ansprüchen Genüge zu tun: „Die ‚Wiener Bilder‘
sollen, soweit Kunst und begeisterte Liebe zu dem
herrlichen Gemeinwesen es vermag, ein möglichst ge-
treuer Abglanz des Lebens und der Entwicklung der
Kaiserstadt an der Donau und ihrer daseinsfreudigen
Bewohner sein. (…) Fernab vom politischen Partei-
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang