Seite - 45 - in Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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45Pressefotograf:
Ein neuer Beruf entsteht
minenstraße 2, Frau Marie Respekt. Sie ist ein Opfer
des Heiratsschwindlers Sand geworden und wegen
einer gegen sie aus dieser Bekanntschaft resultieren-
den Strafanzeige freiwillig in den Tod gegangen.“10
Schuhmanns Themenspektrum ist breit. Er foto-
grafiert alles, was sich in der Presse unterbringen
lässt: sehr viel Sport, aber auch politische und gesell-
schaftliche Themen, Katastrophen ebenso wie Politik,
Freizeitthemen ebenso wie alltägliche Sensationen.
Seine Bilder heben sich von vielen der herkömmli-
chen Presseaufnahmen dieser Jahre ab. Sie kultivie-
ren den entscheidenden Augenblick, besonders im
Sport gelingen ihm die ersten Schnappschüsse dra-
matischer Spielszenen (Abb. 11).
Auch Carl Seebald, geb. 1878, arbeitet als Presse-
fotograf höchst professionell. Der aus Schlesien stam-
mende Fotograf führt zwar noch ein Atelier, aber sei-
ne Haupteinnahmequelle ist die Zeitung. Sein erstes
Foto wird 1904 gedruckt, im Jahr darauf erwirbt er
den Gewerbeschein. In den folgenden Jahren ist er,
ähnlich wie Schuhmann, mit seiner Kamera pausen- los unterwegs. Er ist, neben Schuhmann, der meistpu-
blizierte österreichische Pressefotograf vor dem Ers-
ten Weltkrieg. Seine Fotos erscheinen in allen großen
Illustrierten des Landes, im Interessanten Blatt, den
Wiener Bildern, aber auch in gesellschaftlich so weit
entfernten Zeitschriften wie dem aristokratischen
Wiener Salonblatt und in der populären Sportzeitung
Illustriertes österreichisches Sportblatt. So wie Schuh-
mann erweitert Seebald sein Einsatzgebiet ständig.
Er deckt alle Themen ab, die nachgefragt werden: po-
litische und kulturelle Ereignisse, kleine und große
Katastrophen, Politiker, Künstler, Kaiser und immer
wieder sportliche Wettkämpfe.
Beide, Seebald ebenso wie Schuhmann, gehen
nach und nach auf Distanz zur starren Atelierfoto-
grafie. Sie rücken deutlich von den Praktiken der
Studioinszenierung ab. Vielmehr suchen sie – vor
allem in turbulenten öffentlichen Szenen, wie etwa
im Fußball, aber auch in der politischen Berichterstat-
tung – den entscheidenden Augenblick. Dann drücken
sie ab. Als Seebald 1906 die ungarische Regierungs- Abb. 11 Eine Szene im Fußball-
match zwischen dem
Wiener
Sportclub und dem Budapester
Meisterclub auf dem Sportplatz
in Dornbach, Wien. Die
Ungarn
gewinnen 5
:
3. Das interes-
sante Blatt, 2.
April
1914, S.
15.
Foto: Heinrich Schuhmann sen.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang