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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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54 Fotos statt Zeichnungen · Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit hundertwende entstehen daher neue Berufsbilder: der Pressefotograf, der sich auf die illustrierte Be- richterstattung spezialisiert, der Fotoagent, der die Fotos verkauft und die Belieferung der Redaktionen mit Bildern übernimmt, der Chemigraf, der die Fotos für den Druck aufbereitet, der Redakteur bzw. Foto- redakteur, der für die Auswahl, Betextung und An- ordnung der Bilder in der Zeitung verantwortlich ist.9 Die Herausbildung der fotografischen Öffentlich- keit hat weitreichende Folgen. Nicht nur die Anzahl, sondern auch der Status der Fotografien ändert sich. Bis in die 1890er Jahre gilt die Fotografie als „minde- res“ Medium, das sich gegenüber den künstlerisch geadelten Skizzen, Zeichnungen und Holzstichen nicht durchsetzen kann. Erst allmählich eignen sich die in Zeitungen gedruckten Fotografien jene Attri- bute an, die bisher der Zeichnung vorbehalten wa- ren: Lebendigkeit, Dramatik, Bewegung, Nähe zum Geschehen, Fokussierung und erzählerische Zuspit- zung (Abb. 4). Frühe Pressefotografien erscheinen im Druck statisch, konturlos und distanziert. Die Leben- digkeit der Zeichnung geht ihnen ab. Der technische Aufwand ihrer Herstellung ist in den ersten Jahren noch erheblich: Fotografiert wird mit schweren, un- handlichen Kameras, die in der Regel auf einem Sta- tiv befestigt werden. Schnappschüsse sind auf diese Weise unmöglich. Nur zögernd gehen die Fotografen hinaus ins Freie, immer noch entstehen viele ihrer Aufnahmen – vor allem Porträts – im Atelier. Am frü- hesten kommt der Fotodruck im Bereich der Porträts zum Einsatz. Im Interessanten Blatt erscheinen die ersten Fotoporträts ab Ende der 1880er Jahre. In an- deren Sparten der Berichterstattung dauert es noch einige Jahre länger, bis die Fotografie sich als Leitme- dium durchsetzt. Die auflagenstarke Bildpresse, in deren Fahr- wasser die fotografische Öffentlichkeit entsteht, ist keineswegs homogen. Sie setzt sich vielmehr aus differenzierten Teilöffentlichkeiten zusammen. Die einzelnen Zeitungen adressieren ganz unterschiedli- che Leserschichten, regionale Gruppen, ideologische Milieus und parteipolitische Lager. Die Hauptklien- tel der illustrierten Presse – etwa des Interessanten Blattes und der Wiener Bilder – besteht aus dem ge- hobenen, mittleren und Kleinbürgertum, kaum aus der Arbeiterschaft.10 Die städtischen Leser sind ge- genüber den ländlichen bei Weitem in der Überzahl. Das heißt: Die österreichischen Illustrierten sind vor allem in der Metropole Wien und in den größeren Bezirksstädten verbreitet, aber kaum am Land. Der politische Kurs der illustrierten Presse ist liberal bis konservativ, offene Parteibindungen werden aber meist gemieden. Nur die Österreichische Illustrierte Zeitung steht vor dem Ersten Weltkrieg in auffälliger Nähe zur Christlichsozialen Partei Karl Luegers. Lin- ke Illustrierte gibt es bis in die späten 1920er Jahre, als mit dem Kuckuck die erste sozialdemokratische Bilderzeitung entsteht, keine. Ein Sonderfall ist die illustrierte Sex-and-Crime- Presse. Gemeint sind damit etwa Skandal-, Erotik-, Revolver-, Witz- und sogenannte Gerichtszeitschrif- ten, die um 1900 ebenfalls gewaltige Auflagenzu- wächse verzeichnen. Auch bei diesen Blättern nimmt die fotografische gegenüber der zeichnerischen Illus- tration nach 1900 deutlich zu. Prototyp dieser Rich- tung ist der Criminal-Reporter, der 1891 in Hamburg gegründet wird und auch in Österreich hohe Auflagen erreicht.11 Daneben gibt es ein weitverzweigtes Spek- trum oft kurzlebiger (und immer wieder zensierter und verbotener) Zeitschriften. Ein Teil von ihnen wird in Deutschland hergestellt, andere werden in Öster- reich produziert.12 Die Hauptleserschaft dieser billi- gen, mit Zeichnungen und Fotos illustrierten Blätter ist das Kleinbürgertum und teilweise auch die Arbei- terschaft. Ihre Themen sind skandalträchtige Krimi- nalfälle, Erotik, Gewalt und andere Sensationen, die in Bild und Text ausgebreitet werden. Gelegentlich ist der Übergang zwischen der Skandal- bzw. Revol- Abb. 4  Autounfall  durch  Bremsversagen  am  Exelberg  im  Wienerwald,  nördlich  von  Wien,  Zeichnung.  Wiener Bilder,  28.  Mai  1899,  S.  4.
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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Untertitel
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Autor
Anton Holzer
Verlag
Primus Verlag
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-86312-073-3
Abmessungen
23.0 x 29.0 cm
Seiten
498
Schlagwörter
Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
Kategorie
Medien

Inhaltsverzeichnis

  1. Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
  2. Neue illustrierte Welt Einleitung 10
  3. Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
  4. Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
  5. Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
  6. Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
  7. Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
  8. Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
  9. Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
  10. Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
  11. Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
  12. Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
  13. Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
  14. Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
  15. Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
  16. Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
  17. Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
  18. Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
  19. Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
  20. Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
  21. Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
  22. Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
  23. Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
  24. Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
  25. Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
  26. Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
  27. Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
  28. Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
  29. Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
  30. Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
  31. Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
  32. Anhang
    1. Anmerkungen 446
    2. Fotografinnen und Fotografen 1890 bis 1945 Biografische Notizen 466
    3. Literatur 483
    4. Zeitungen und Zeitschriften 490
    5. Index 491
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