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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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61Innovation und Beharrung In der Architektur des Bildes scheinen die poli- tischen Vorlieben Siegmund Schneiders und seiner Zeitung deutlich durch. Dass etwa Leopold Lipschütz, der Chefredakteur der konservativen, der Reichspost nahestehenden Illustrierten Kronen-Zeitung (links ne- ben Benedikt, Nr. 21) alle anderen Vertreter um ei- nen knappen Kopf überragt, ist gewiss kein Zufall: Er verkörpert die erfolgreiche und auflagenstarke konservativ-populistische Massenpresse. Dagegen ist nur ein einziger Vertreter einer sozialdemokratischen Zeitung abgebildet: Engelbert Pernersdorfer (Nr. 135). Er gehört dem rechten, deutschnationalen Flügel der Partei an und findet seinen Platz ganz außen im Bild, dicht am rechten Rand. Der Chefredakteur der Arbei- ter-Zeitung, Friedrich Austerlitz, hingegen fehlt, eben- so wie andere Journalisten fortschrittlicher Publikati- onen. Auch Siegmund Schneider selbst, der Gestalter, hat sich einen Platz gesichert. Er hat sich bescheiden am rechten Bildrand, neben dem sozialdemokrati- schen Vertreter, verewigt (Nr. 132). Nicht nur die Anordnung der Porträtierten, auch die Architektur und Gestaltung des Raumes folgen einem präzise kalkulierten Programm. Nicht zufällig wählt Schneider das Innere des Wiener Parlaments als Schauplatz für sein Gruppenbild. Auch hier ar- beitet er mit Schere und Klebstoff. Das Grillparzer- denkmal, das hinter der festlich versammelten Pu- blizistik zu sehen ist, steht in Wirklichkeit unweit des Parlaments, im Wiener Volksgarten. Grillparzer wird in der Beschreibung des Bildes, die ebenfalls von Schneider stammt, als „größter österreichischer Dichter und Schriftsteller“ vorgestellt und zugleich als „berühmtestes Opfer vormärzlicher Preßverhält- nisse und Metternichschen Geistesdrucks.“6 Schnei- der baut weitere figurative „Zutaten“ in die Szene ein. Rechts und links des Dichters sind die Statuen der Clio und der Urania zu sehen, die antiken Musen der Dichtung und der Naturwissenschaft. Am äußeren Bildrand rechts und links sitzen weitere antike Hel- den, Cicero und Demosthenes, deren Statuen im Ka- pitolinischen Museum in Rom und im Pariser Louvre stehen. Und auch die Fresken am Fries der Säulen- halle hat Schneider von weit hergeholt und ins Bild montiert. Sie zeigen „altchristliche Blutzeugen des freien Wortes“, die Gemälde stammen aus der Basili- ka San Lorenzo in Rom. Schneider fasst die Aussage des bedeutungsschwangeren Bildes folgendermaßen zusammen: „So entströmt dieser Photocomposition auch eine ungewöhnliche symbolische Kraft, die sie wohl zu mehr macht als zu einem bloß zufälligen Gruppenbilde und dadurch auch manchen sinnenden Beschauer anregen mag zu ernsteren Betrachtungen, was unsere Zeit, was unser ganzes Kultur- und Geis- tesleben in Österreich den Männern der vaterländi- schen Publizistik zu verdanken hat.“7 Innovation und Beharrung Die Fotomontage Siegmund Schneiders ist ein in- teressantes Beispiel für die komplexen rhetorischen Möglichkeiten, mit denen fotografisch illustrierte Zei- tungen bereits in den ersten Jahren nach 1900 arbei- ten. Und dennoch ist dieses Beispiel eine Ausnahme. Derart aufwendig gestaltete und gedruckte Bildseiten sind in diesen Jahren eher selten. Die Fotografie, die im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts allmäh- lich Einzug in die illustrierte Wochenpresse hält, ist zwar als Medium neu, aber die Bildsprache, in der sie sich bewegt, greift noch lange auf die etablierten Abb. 2  „Der  Herausgeber  der  Neuen Freien Presse.  20.  Juni  1911“.  Fotomontage  von  Karl  Kraus,  in:  Die Fackel,  Nr.  326  –  328,  8.  Juli  1911.
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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Untertitel
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Autor
Anton Holzer
Verlag
Primus Verlag
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-86312-073-3
Abmessungen
23.0 x 29.0 cm
Seiten
498
Schlagwörter
Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
Kategorie
Medien

Inhaltsverzeichnis

  1. Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
  2. Neue illustrierte Welt Einleitung 10
  3. Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
  4. Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
  5. Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
  6. Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
  7. Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
  8. Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
  9. Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
  10. Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
  11. Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
  12. Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
  13. Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
  14. Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
  15. Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
  16. Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
  17. Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
  18. Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
  19. Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
  20. Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
  21. Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
  22. Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
  23. Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
  24. Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
  25. Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
  26. Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
  27. Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
  28. Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
  29. Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
  30. Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
  31. Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
  32. Anhang
    1. Anmerkungen 446
    2. Fotografinnen und Fotografen 1890 bis 1945 Biografische Notizen 466
    3. Literatur 483
    4. Zeitungen und Zeitschriften 490
    5. Index 491
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