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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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78 Im Rampenlicht · Der Kaiser im Blick der Fotografen Neue Kaiserbilder Es ist gewiss kein Zufall, dass der Kaiser gerade an der Wende zum 20. Jahrhundert in das aufhellende Licht der Wissenschaft tritt. In diesen Jahren bemühen sich verschiedene Disziplinen darum, das Innenleben des Menschen Schritt für Schritt zu entschleiern. Man will hinter die Kulissen sowohl seines emotiona- len wie auch seines physischen Wesens blicken. Sig- mund Freud durchleuchtet um 1900 mit den Mitteln der Psychoanalyse die menschliche Seele. Zugleich tritt die Naturwissenschaft an, den Körper des Men- schen Stück für Stück zu entzaubern. Mit dem Bild der durchleuchteten Hand wird nun sogar der Körper des Kaisers wissenschaftlich analysiert. Dieser zeigt sich souverän und gelassen. Er signalisiert Interesse und Aufgeschlossenheit gegenüber den neuesten Ent- wicklungen der Technik. Der Kaiser tritt mit diesem Bild aber nicht nur ins Licht der Wissenschaft, son- dern mehr noch in jenes der Öffentlichkeit. Um 1900 zeichnet sich ein Strategiewechsel Seiner Majestät in Sachen Öffentlichkeitsarbeit ab. Bis Mitte der 1890er Jahre sind fast alle Kaiserbilder sorgsam inszenierte Auftragsarbeiten. In der Öffentlichkeit erscheinen sie meist als Lithografien gedruckt oder in gezeichneter Form. Auch die frühen Kaiserfotos folgen lange Zeit diesem Modell der inszenierten Darstellung. Jahrzehntelang ist es ein Privileg für die Fotogra- fen, den Kaiser und seine Familie ablichten zu dür- fen. Immerhin verspricht der illustre Protagonist gute Geschäfte, etwa durch die Vervielfältigung und den Verkauf der Bilder. Aber noch wichtiger ist der Glanz des Monarchen, der ein wenig auf den Foto- grafen und sein Atelier ausstrahlt. Und so ist es kaum verwunderlich, dass das Gedränge unter den Lichtbildnern, von Seiner Majestät in den Kreis der auserwählten Fotografen aufgenommen zu werden, erheblich ist. Besonders gefragt ist der Titel „k. u. k. Hofphotograph“, der allerdings nicht allzu schwer zu bekommen ist. Ein etablierter Fotograf, der die Nähe des Kaiserhauses sucht, gelegentlich ein wenig anti- chambriert und dem Hof ab und zu kostenlos ein Konvolut ausgewählter Lichtbilder zukommen lässt, hat gute Chancen, früher oder später in den Genuss dieser Auszeichnung zu gelangen. Die ersten Fotografen, die den Kaiser ablichten, arbeiten fast ausschließlich im Atelier. Zu dieser al- ten Garde gehören Ludwig Angerer (der den Kaiser bereits in den 1850er Jahren fotografiert), das Atelier Adèle, Rudolf Krziwanek, Josef Löwy, Carl Pietzner, Arthur Floeck, Fritz Luckhardt und andere. Ab Mitte der 1890er Jahre ändert sich die Situa- tion. Den etablierten Kaiserfotografen erwächst nun Konkurrenz. Zwar erscheinen auch weiterhin die altbe- kannten Atelieraufnahmen in der Presse. Häufiger als früher zeigt sich Franz Joseph nun aber in populären, volksnahen Kostümen (Abb. 2). Repräsentative fotogra- fische Herrscherbilder entstehen nun gelegentlich im Freien. Anlässlich des 70. Geburtstags des Kaisers lich- tet der bekannte Wiener Atelierfotograf Charles Scolik diesen in Uniform auf dem Pferd sitzend ab (Abb. 3). Majestätisch thront der Kaiser auf dem edlen Ross. Hinter ihm erstreckt sich eine weite Landschaft. Das Bild erscheint am 16. August 1900, also zwei Tage vor dem Kaisergeburtstag, auf einer ganzen Seite im Inte- ressanten Blatt.3 Im Bildtext wird der Ort des Gesche- hens präzise angegeben. „Die neueste Aufnahme des Kaisers im Brucker Lager Ende Juni 1900.“ Gemeint ist das k. u. k. Militärlager in Bruck an der Leitha. Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass die Land- schaft im Hintergrund zu Gänze gezeichnet ist. Gut möglich, dass auch die Aufnahme des Monarchen auf dem Pferd in Wien und nicht in Bruck entstand. Abb. 2  Kaiser  Franz  Joseph  als  Jäger.  Die  Aufnahme  entsteht  im  März  1910  und  wird  anläss- lich  der  Wiener  Jagdausstellung  „auf  allerhöchsten  Befehl“  in  der  Schau  ausgestellt.  Das interessante Blatt,  12.  Mai  1910,  S.  5.  Foto:  Hans  Makart.
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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Untertitel
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Autor
Anton Holzer
Verlag
Primus Verlag
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-86312-073-3
Abmessungen
23.0 x 29.0 cm
Seiten
498
Schlagwörter
Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
Kategorie
Medien

Inhaltsverzeichnis

  1. Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
  2. Neue illustrierte Welt Einleitung 10
  3. Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
  4. Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
  5. Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
  6. Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
  7. Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
  8. Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
  9. Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
  10. Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
  11. Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
  12. Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
  13. Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
  14. Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
  15. Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
  16. Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
  17. Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
  18. Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
  19. Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
  20. Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
  21. Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
  22. Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
  23. Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
  24. Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
  25. Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
  26. Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
  27. Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
  28. Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
  29. Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
  30. Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
  31. Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
  32. Anhang
    1. Anmerkungen 446
    2. Fotografinnen und Fotografen 1890 bis 1945 Biografische Notizen 466
    3. Literatur 483
    4. Zeitungen und Zeitschriften 490
    5. Index 491
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