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172 Bilder für alle · Die Welt der Magazine und Revuen
und des sozialdemokratischen Kuckuck, lichtet an ei-
nem heißen Sommertag im Jahr 1932 ein Schatten
und Ruhe suchendes Paar auf dem Strand ab (Abb. 2).
Der Fotograf hat seinen Apparat zu Füßen der beiden
Liegenden positioniert. Auf diese Weise gelingt ihm
in der perspektivischen Verkürzung eine leicht ver-
fremdete, überaus eindrückliche Momentaufnahme
aus dem Alltag. Der Bildtext lautet schlicht: „Liebe
am Strand“.
Während die alteingesessenen illustrierten Wo-
chenzeitungen die Wende hin zur modernen Fotogra-
fie und zu einem innovativen Einsatz der Bilder im
internationalen Vergleich eher spät und oft halbher-
zig vollziehen, sind einige der in den 1920er Jahren
neu gegründeten Wochen- bzw. Monatsmagazine in
dieser Hinsicht deutlich aufgeschlossener. Ende der
1920er Jahre werden sie – zumindest teilweise – zu
Vorreitern einer modernen fotografischen Bebilde-
rung. Von kleinformatigen illustrierten Wochen- oder
Monatsmagazinen, wie der Bühne (1924 gegründet),
dem Wiener Magazin (1927 gegründet) und in gerin-
gerem Maße der Modernen Welt (1918 gegründet),
gehen neue ästhetische Impulse aus (Abb. 3, 4, 5). Ein Sonderfall ist die Wochenillustrierte Der Sonntag,
die seit 1934 der Tageszeitung Der Wiener Tag bei-
liegt und bis 1938 erscheint.8 Sie setzt inmitten der
austrofaschistischen Diktatur neue Maßstäbe für eine
originelle Bildpresse.
Neben den aufwendig gestalteten und gedruck-
ten Kultur- und Gesellschaftsmagazinen kommen in
den 1920er Jahren noch zahlreiche weitere, weniger
hochwertig hergestellte illustrierte Wochenmagazine
auf den Markt, etwa diverse Radio-, Film-, Mode- und
Freizeitzeitschriften. Zwar bleiben diese Publikatio-
nen in ihrer Seitengestaltung lange Zeit konventio-
nell, aber auch sie setzen des Öfteren bewusst auf
gute, aussagekräftige Bilder und gruppieren diese
oft zu hintergründigen Bild-Text-Kombinationen. Ge-
nerell gilt: Die neuen Magazine halten in ihrer The-
menwahl Abstand zur Tagespolitik und verstehen
sich nicht als politische Wochenzeitungen, sondern
vielmehr als Revuen.
Moderne Welt – Forum für das Bildungsbürgertum
Im Oktober 1918 – also noch kurz vor dem offizi-
ellen Kriegsende – erscheint das erste dieser neuen
Journale, die Moderne Welt. Im Untertitel nennt sie
sich Illustrierte Revue. Eigentümer und Herausgeber
ist Arnold Bachwitz, Chefredakteur Ludwig Hirsch-
feld. Die Redaktion ist in der Löwengasse 47, Wien
3, untergebracht.9 Zunächst erscheint die Zeitschrift
monatlich, 1923 stellt sie auf ein 14-tägiges Erschei-
nen um, um Anfang der 1930er Jahre wieder zum
Monatsrhythmus zurückzukehren.
Im Editorial des ersten Heftes der Revue heißt es
programmatisch: „Der Titel dieser Zeitschrift enthält
eigentlich schon ihr Programm: ‚Moderne Welt‘ – zwei
Worte, die unzählige Gebiete, Themen und Möglich-
keiten umfassen (...). Aus dieser Fülle und Buntheit
der modernen Welt das Charakteristische, Interessan-
te und Aktuelle herauszugreifen und in Worten und
Bildern festzuhalten, ist unser Arbeitsplan, den der
Untertitel ausdrückt: eine illustrierte Revue. Literatur,
Kunst, Theater, Mode, zeitgeschichtliche Ereignisse,
wissenschaftliche und technische Leistungen, gesell-
schaftliches Leben und Mode sollen vor dem Auge
des Lesers vorüberziehen. Wir binden uns an keine
Abb. 2 „Liebe am Strand“.
Wiener Magazin, Heft 6, Juni
1932, S.
59. Foto: Nikolaus
Schwarz.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang