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176 Bilder für alle · Die Welt der Magazine und Revuen
lich wird dieses starre Korsett aufgebrochen und mit
neuen grafischen Lösungen experimentiert. Immer
öfter gibt es nun ganze Bildseiten, die gelegentlich
zu kurzen Bildgeschichten verbunden werden. Aber
auch in der Modefotografie geht die Zeitschrift nun
neue Wege. Die Bilder werden oft freigestellt und sub-
til mit dem Text verwoben. Als eine der ersten öster-
reichischen illustrierten Magazine bringt die Bühne
ab 1929 professionell gestaltete, thematisch originelle
Fotoreportagen. Zu den Pionierinnen dieser Gattung
gehören die beiden Fotografinnen Annie Schulz und
Marianne Blumberger (verh. Bergler).17 Um 1929/30 wird nicht nur die grafische Linie der
Zeitschrift deutlich modernisiert. Die Bühne wird in
diesen Jahren allmählich zu einer wichtigen publizis-
tischen Plattform für die moderne Fotografie. Zahl-
reiche Vertreter der österreichischen fotografischen
Avantgarde und des Neuen Sehens veröffentlichen in
der Zeitschrift. Die Redaktion verfolgt das zeitgenös-
sische Fotogeschehen aufmerksam. Um nur ein Bei-
spiel zu nennen: Die legendäre Werkbundausstellung
„Film und Foto“, die 1930 in Wien Station macht, wird
in der Bühne von Wolfgang Born ausführlich und sehr
wohlwollend angekündigt.18 Im Konflikt zwischen
Traditionalisten und Neuerern in der Fotografie stellt
sich die Redaktion der Bühne um 1930 eindeutig auf
die Seite der Modernen.
Die Zeitschrift veranstaltet Anfang der 1930er Jahre
eigene Fotowettbewerbe, regelmäßig werden Fotogra-
fen, die im Stil des Neuen Sehens und der Neuen Sach-
lichkeit arbeiten, prämiert. Ende November 1931 ver-
öffentlicht die Bühne als Siegerarbeit eine Aufnahme
von Sepp Nowak.19 Der Fotograf wirft einen ungewöhn-
lichen Blick vom Wiener Riesenrad auf den Prater.
Eine ähnliche Aufnahme, auch sie wird in der Bühne
veröffentlicht, stammt von Edith Suschitzky. Sie zeigt
im Vordergrund die Diagonalen der Riesenrad-Konst-
ruktion und weit unten auf dem Boden aus extremer
Vogelperspektive zahlreiche Passanten (Abb. 8).
Obwohl die Bühne, etwa im Unterschied zum
Kuckuck, nur selten Fotomontagen bringt, arbeitet
auch sie – vor allem in den Jahren um 1930 – im Lay-
out gelegentlich mit Schere und Klebstoff. Ende 1931
wird auf einer originellen Doppelseite der Bühnen-
und Kostümbildner Alfred Kunz als Spielzeugsamm-
ler vorgestellt (Abb. 9). Der gezeichnete Protagonist
mit aufgesetztem „Fotokopf“ hat liegend inmitten sei-
ner Sammlerstücke Platz genommen. Die Zeichnung
stammt von Lisl Weil, die Fotos hat Kitty Hoffmann
aufgenommen. Lisl Weil, geb. 1910, die die Wiener
Kunstgewerbeschule absolviert hat, zeichnet seit
Ende der 1920er Jahre für mehrere österreichische
Tageszeitungen und Magazine Illustrationen und
Vignetten. Besonders häufig ist sie – neben Friedl
Biegler, Emmi Sagai und gelegentlich Bil Spira – ab
Anfang der 1930er Jahre im Auftrag der Bühne tätig,
für die sie auch Titelblätter grafisch gestaltet.20
Abb. 8 Der
Wiener Prater mit
dem Riesenrad, von oben auf-
genommen. Die Bühne, Zweites
Aprilheft 1933,
S.
14. Fotos:
oben: Edith
Suschitzky, unten:
Otto Skall.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang