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181Wiener
Magazin – Treffpunkt der konservativen Moderne
Wiener Magazin – Treffpunkt
der konservativen Moderne
Ebenso wie die Bühne spielt auch das 1927 gegrün-
dete Wiener Magazin eine nicht zu unterschätzende
Rolle als Plattform für die moderne österreichische
Fotografie der Zwischenkriegszeit (Abb. 14). Im
Unterschied zur Modernen Welt, die ein gehobenes,
elitäres Publikum adressiert, aber auch zur Bühne,
die sich als bürgerliche Gesellschafts- und Kultur-
zeitschrift versteht, wendet sich das Wiener Magazin
an breite Bevölkerungsschichten. Die Zeitschrift ist
populär aufgemacht, sie deckt alle Bereiche des ge-
sellschaftlichen Lebens ab, vom Sport über die Mode
bis hin zu Film und Alltag. Sensationsthemen, die ge-
legentlich ziemlich voyeuristisch präsentiert werden,
räumt sie viel Platz ein. Regelmäßig druckt sie Fotos
von entblößten weiblichen Körpern. Von der Tagespo-
litik hält sie sich fern.
Als Anfang November 1927 das erste Heft des
Wiener Magazins erscheint, ist die illustrierte Presse
in Österreich auf Expansionskurs. Das betrifft ins-
besondere die wöchentlich oder monatlich erschei-
nenden Gesellschafts-, Film- und Radiozeitschriften,
von denen viele ab Mitte der 1920er Jahre gegründet
werden. Eigentümer des Wiener Magazin ist kein gro-
ßer Konzern, sondern die kleine Alexander & Co. Zei-
tungsverlagsgesellschaft. Der Eigentümer Richard F.
Alexander selbst tritt als Herausgeber der Zeitschrift
auf, die Redaktion ist in der Herrengasse 14, Wien 1,
untergebracht. Chefredakteur ist Otto Helmers, ver-
antwortlicher Redakteur Hubert Vanderfecht. Ge-
druckt wird die Zeitschrift in der Hermes Buch- und
Kunstdruckerei.
Das monatlich erscheinende Magazin legt großen
Wert auf eine ansprechende fotografische Illustration.
Von Anfang an werden Aufnahmen namhafter öster-
reichischer und ausländischer Fotografen – stets in
gutem Kupfertiefdruck – veröffentlicht. Grafisch sind
die ersten Jahrgänge noch recht einfach gestaltet,
die Fotos werden in ein einfaches Textraster einge- passt. Ein Gutteil der Titelfotos stammt vom Wiener
Atelier Manassé. Allmählich wird aber das Layout
professioneller. Um 1930 tauchen im Wiener Maga-
zin erstmals Fotoreportagen auf. Ab 1932 sind diese
Bilderzählungen, inzwischen meist sehr gut gestaltet,
fester Bestandteil der Zeitschrift. Ab Anfang der
1930er Jahre erscheint das Wiener Magazin in einem
modernisierten Layout. Der Textteil wird nun zurück-
gedrängt, immer öfter werden eindrucksvolle Bildsei-
ten oder spannungsreiche Bilddoppelseiten eingefügt
(Abb. 15).
Die fotografische Linie des Wiener Magazins ist
Ende der 1920er Jahre keineswegs eindeutig. Neben
zahlreichen piktorialistischen Porträt-, Landschafts-
und Genreaufnahmen, etwa von Rudolf Koppitz, Her-
mann Brühlmeyer oder Fernand Jellinek-Mercedes,
finden wir in der Zeitschrift auch experimentelle
Lichtmontagen, etwa des Berliner Fotografen Heinz
Hajek-Halke (Abb. 16), moderne Stadtaufnahmen,
etwa des Bauhäuslers Erich Comeriner, oder an-
spruchsvolle Fotoreportagen, etwa von Frank Sykora
oder Lothar Rübelt, der besonders viel in der Zeit-
schrift veröffentlicht.
Abb. 14 Neben
der
Bühne ist
auch
das
Wiener Magazin
eine
wich-
tige Plattform für die
moderne österreichische Fotografie. Wiener
Magazin,
Heft 2, Februar
1932. Foto: Atelier Manassé. Abb. 15 Ab Anfang der 1930er
Jahre wird
die Gestaltung des
Wiener Magazins modernisiert.
Immer öfter erscheinen ein-
drucksvolle Bilddoppelseiten.
Wiener Magazin, Heft 10,
Oktober 1932, S.
60/61. Foto:
Lucca
Chmel.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang