Seite - 186 - in Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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186 Bilder für alle · Die Welt der Magazine und Revuen
Magazinen hat der Wiener Rob-Verlag (Grundlstraße
5, Wien 9, später Neuer Markt 17, Wien 1 bzw. Alser-
bachstraße 39, Wien 9). Der Eigentümer, Karl Rob32
(eigentlich Robitsek, geb. 1891), gründet mitten im
Ersten Weltkrieg (1916) ein Unternehmen, das eine
Reklameanstalt, einen Kunsthandel und einen Zeit-
schriftenverlag umfasst.33 Ab 1915 gestaltet er u.a.
Filmplakate für die Firma Sascha Film, die in diesen
Jahren zahlreiche propagandistische Streifen dreht.
Als Verleger beginnt er zunächst mit einem schmalen
Angebot. Nach und nach erweitert er das Programm,
er gründet bzw. übernimmt eine Reihe von weiteren
Zeitschriften. Während und nach der Inflationszeit,
die einige bestehende Zeitschriften ökonomisch ins
Wanken bringt, profitiert Rob von der Unsicherheit
und expandiert. So übernimmt er etwa 1924 die Zeit-
schrift Muskete, die in der Krisenzeit 1921/22 vier-
mal den Besitzer gewechselt hat. Um 1930 erscheinen
im Rob-Verlag die Wiener Mode sowie die Magazine
Faun, Muskete, MOCCA und Wiener kleines Witzblatt.
Letztere sind populäre, teilweise schlüpfrig-frivole Re-
vuen, die sich an ähnlichen deutschen Erfolgsproduk-
ten orientieren. Ihr Konzept ist, die oft tabuisierten
Kehrseiten der bürgerlichen Welt zu zeigen. Während
etwa Zeitschriften wie die Moderne Welt eine wun-
derbare, anständige, vornehme und gutbürgerliche
Gesellschaft inszenieren, in der die Welt im Lot ist,
zeigen einige der Zeitschriften aus dem Rob-Verlag
auch die „schmutzigen“ und in der Öffentlichkeit
verpönten Fantasien des Bürgertums, die Welt der
Sexualität vor allem, aber auch die der Gewalt.
Die bürgerlichste und gesittetste Zeitschrift im
Rob-Verlag ist die Wiener Mode. Als Karl Rob 1921
die Zeitschrift übernimmt, hat sie bereits eine län-
gere Geschichte hinter sich. 1887 gegründet, gehört
die illustrierte Zweimonatsschrift34 zu den ältesten
und traditionsreichsten Modezeitschriften der Mon-
archie.35 Sie wendet sich bis Anfang der 1920er Jahre
an ein gehobenes bürgerliches Publikum. Ihr konser-
vatives Gegenstück ist das zwischen 1870 und 1938
zunächst wöchentlich, dann (ab 1919) 14-tägig er-
scheinende Wiener Salonblatt, eine Mode- und Gesell-
schaftsrevue der höheren Stände, die sich sehr stark
an eine adelige Leserschaft wendet.36 Anfang der
1920er Jahre ändert Karl Rob Format, Aufmachung und Ausrichtung der Wiener Mode. Sie wird nun po-
pulärer und setzt immer stärker auf die Fotografie.37
Die gediegen-konservative Gestaltung freilich wird
beibehalten, ebenso die unpolitische Grundhaltung.
Gestalterische Experimente finden wir in der Wiener
Mode nicht. Das Vorsatzblatt stammt in zahlreichen
Ausgaben vom Wiener Atelier Manassé, das seit
1924 überaus eng mit Karl Rob zusammenarbeitet
und auch für andere Magazine des Verlags regelmä-
ßig Bildmaterial liefert. Aber auch andere bekannte
Wiener Fotografen wie Franz Löwy, Juda Berisch
Zimbler, Trude Fleischmann, Ernst Förster, Grete
Kolliner, Pepa Feldscharek, Madame d’Ora, Freyber-
ger-Dietrich, Setzer, Kitty Hoffmann, Edith Glogau
oder Hedda Medina veröffentlichen in der Zeitschrift
Modeaufnahmen, Schauspieler- und Künstlerporträts
sowie Tanzfotos. Ab 1924 erscheint die Zeitschrift im
Kupfertiefdruck. Ende der 1920er Jahre steuert Karl
Rob die Wiener Mode in Richtung einer populären Re-
vue, die ein breites Publikum adressiert. Zwar hält
sich die Zeitschrift von der Tagespolitik lange Zeit
fern, aber ab 1933/34 ist eine konservative Wende
unverkennbar. Vermehrt tauchen nun Politiker des
christlichsozialen „Ständestaates“ in der Zeitschrift
auf, das mondäne Großstadtleben, das bisher die in-
haltliche Richtung geprägt hat, erhält Konkurrenz
durch ländlich-patriotische Themen und Bildgeschich-
ten (etwa 1935 über die Eröffnung der Großglockner
Hochalpenstraße, das Prestigeprojekt des Austrofa-
schismus).
Stärker als in der Wiener Mode verwirklicht Karl
Rob in seinen humoristisch-frivolen Zeitschriften
und Revuen Der Faun (1916 gegründet, 1928 einge-
stellt), Die Muskete (1905 gegründet, 1924 von Rob
übernommen), MOCCA (1928 gegründet) und Wiener
kleines Witzblatt (1897 gegründet, 1916 von Rob über-
nommen) sein populistisches verlegerisches Konzept:
Produziert wird, was sich verkauft. Das inhaltliche
Niveau der Zeitschriften, die teils wöchentlich, teils
zweiwöchentlich oder monatlich erscheinen38, ist be-
scheiden. Der rote Faden, der sich durch die Rob-Re-
vuen zieht, ist die schlüpfrige Erotik, der Hang zu An-
züglichkeit und Voyeurismus, die sich in den Texten,
vor allem aber in der Bebilderung zeigen. Während
der Faun und das Wiener kleine Witzblatt auf z. T. far-
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang