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260 Politische Bilder · Die Kultur der Arbeiterfotografie
geschichte nicht gewürdigt wurde: Richard Träger.35
Im Unterschied zu den meisten seiner Kollegen an
der Volkshochschule Ottakring verfolgt Träger in
seinen Arbeiten einen radikal neusachlichen Kurs
(Abb.
14). Er experimentiert mit Licht und Schatten,
modelliert mit seiner Kamera, die er nahe an die Ob-
jekte heranführt, faszinierende Stillleben. Er ist ein
neugieriger Amateur, der zwar seine Fotos ausstellt,
aber nicht von den Veröffentlichungen leben muss.
Richard Träger wäre, hätten dies der politische Um-
bruch des „Ständestaates“ und sein früher Tod nicht
verhindert, einer der ganz großen österreichischen
Fotografen geworden. Er stirbt am 30. November 1933
bei einem Unfall.
Über sein Leben ist wenig bekannt.36 Er ist 1895
geboren, von Beruf Feinmechaniker und beginnt 1919
mit der Fotografie. Seit Mitte der 1920er Jahre enga-
giert er sich in der Arbeiterfotogruppe der Volkshoch-
schule Ottakring und beteiligt sich ab 1927 mit Erfolg
an zahlreichen internationalen Ausstellungen. Auch
in der Wiener Werkbundausstellung „Film und Foto“
(1930) ist er mit sechs Beispielen vertreten.37 Im Herbst 1935 richtet ihm die Volkshochschu-
le Wien eine kleine Gedächtnisausstellung aus. „Er
galt“, heißt es aus diesem Anlass im Mitteilungsblatt
der Volkshochschule, „als ein Wegbegleiter der mo-
dernen Bildauffassung. Sein Wirken wurde auf al-
len internationalen Ausstellungen anerkannt.“38 Im
September 1935 berichtet das Neue Wiener Journal
über die Schau und den Geehrten. „Er war einer der
ersten, der ‚modern‘ photographierte. Schon im Jahr
1925 hatte er seinen Stil gefunden, aber er war viel zu
bescheiden, um sich durchzusetzen.“39 Träger gerät
bald nach seinem Tod in Vergessenheit.
Gesellschaftskritische Fotomontagen
Weyr wirft vielen der Arbeiterfotografen „Lebens-
ferne“ vor und verweist auf die deutschen Vorbilder.
„Die Arbeiterlichtbildkunst“, schreibt er im November
1931 im Kuckuck, „ist dort weit weniger individualis-
tisch eingestellt als in Wien. Wird weit mehr als be-
wußte Arbeit für die Partei betrieben. Wäre es nicht
auch in Wien an der Zeit, sich um der Sache willen,
Abb.
14 „Morgengrauen“.
Richard
Träger gehört mit
seinen neusachlichen Aufnah-
men zu
den herausragenden
Vertretern der österreichischen
Moderne. Er ist Mitglied der
Arbeiterfotogruppe der Volks-
hochschule Ottakring. Wiener
Magazin, Heft 5, 1929, S.
25.
Abb.
15 „Fasching 1931“. In
der Fotomontage von Siegfried
Weyr werden auf schlagende
Weise die gesellschaftlichen
Gegensätze dargestellt. Der
Kuckuck, 25.
Januar 1931, S.
16.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang