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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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281Moderne Sportlerinnen geschürzt, gleich bemalt und mit bunten Steinen geziert, war ästhetisch vollkommen – aber erschre- ckend durch die unpersönliche Wiederholung durch die gleich süßen Gesichter. Und plötzlich wandelt sich aus Überdruß der Geschmack. Das Girl stirbt an sei- ner Langeweile, und den Thron der Frauenschönheit besteigt die geistige Frau. (...) Das vergeistigte Frau- engesicht fängt an, heute als das schönste zu gelten. Merkwürdigerweise ist es gerade Amerika, die Hei- mat des Girls, das sich am schnellsten zur intellektu- ellen Schönheit bekennt, so sehr, daß man drüben im Film schon Spezialistinnen für diesen neuen intellek- tuellen Erfolgstyp der Frau sucht und ausbildet.“8 Der Beitrag in der Dame trägt den bezeichnenden Titel „Vom Puppengesicht zum Charakterkopf“. Natürlich ist dieser geraffte Rückblick auf das idealisierte Frau- enimage der 1920er Jahre eine suggestiv formulierte Aufstiegs- und Besserungsgeschichte. Natürlich ist das Frauenbild der 1920er Jahre, das den Sex-Appeal der Bubikopf-Frau mit der „intellektuellen Schönheit“ verbindet, in dieser Deutung der Gipfel der Entwick- lung, sozusagen der letzte modische Schrei. Wenn Ende der 1920er Jahre, Anfang der 1930er Jahre am einen Ende der Skala moderner Frauen- bilder das anonyme Revue-Girl steht, das bloße Kör- perlichkeit ausstrahlt, ist am anderen Ende jener Frauentyp anzutreffen, dessen Attraktivität in seiner intellektuellen Ausstrahlung liegt. Kaum eine andere österreichische Schauspielerin entspricht dem Bild der zerbrechlich-schönen, attraktiven und zugleich unnahbaren Diva mehr als Elisabeth Bergner. Sie hat ihre Karriere bereits während des Ersten Weltkrieges begonnen und spielt zunächst vor allem auf den Wie- ner und Berliner Bühnen. Zum Star wird sie ab Mitte der 1920er Jahre vor der Filmkamera. Häufig spielt sie launisch-kapriziöse, kindlich-hysterische Frauen- rollen, die sie mit großem Einfühlungsvermögen und Souveränität verkörpert. Elisabeth Bergner, so heißt es anlässlich eines Wiener Auftritts im Jahr 1926 in der Modernen Welt, ist „die erste Schauspielerin, die Hysterie mit Kindlichkeit verbindet – und ist diese Mi- schung nicht der Typ der Großstadtfrau von heute?“9 Je bekannter Elisabeth Bergner wird, desto mehr kultiviert sie ihre Unnahbarkeit. „Ich ließ von mir keine Großaufnahmen machen“, behauptet sie in einem Gespräch 1929.10 Zugleich aber trägt die Fo- tografie viel dazu bei, sie zum Star zu machen. In den Porträts, die ab Mitte der 1920er Jahre vor allem in Wiener und Berliner Ateliers entstehen, tauchen die Züge dieser Rollen immer wieder auf, auch dann, wenn sie sich nicht in Bühnenszenen ablichten lässt. Die beiden Wiener Fotografinnen Trude Geiringer und Dora Horovitz fotografieren Elisabeth Bergner besonders häufig – im Atelier, auf der Bühne, aber auch im Freien (Abb.    5). In ihren Aufnahmen tritt uns eine scheue, aber ausdrucksstarke Schauspie- lerin entgegen, die den direkten Blick in die Kame- ra meidet, oft ihren Kopf gesenkt hält, von der aber nichtsdestotrotz – oder gerade deswegen – eine starke Anziehungskraft ausgeht. Moderne  Sportlerinnen Um 1925 häufen sich in Österreich die Berichte über den neuen Kurzhaarschnitt der Frauen, der von Anfang an mehr bedeutet als ein modisches Detail. Der Bubikopf wird, als Erkennungszeichen der „Neu- en Frau“, zu einem universellen Code, der alle mög- lichen Neuerungen im Verhältnis der Geschlechter charakterisiert. Er begegnet uns im Theater, im Kino, in der Mode, aber – und das ist eine wichtige Brücke zur einfachen Bevölkerung – in modifizierter Form auch im Sport. Als im September 1926 in Wien ein großes Frauensportfest stattfindet, ziert erstmals eine Frau den Umschlag des Illustrierten Sportblatts – die Leichtathletin Gretl Mainx. Sie ist keine entrückte Bühnendiva, eher ihr Gegenteil: eine Frau, die sich durch Kraft, Ausdauer und Geschicklichkeit auszeich- net. Der weibliche Sportstar gleicht der „Neuen Frau“ in mancher Hinsicht. Die junge, selbstbewusste, sie- gessichere Sportlerin hat die androgyne Anmutung der „Neuen Frau“ übernommen. Auch sie huldigt dem modernen Kurzhaarschnitt. Auch sie tritt in der bisherigen Männerdomäne Sport selbstbewusst auf. Die anmutige Sportlerin wird als die wahre Erbin der „Neuen Frau“ präsentiert. Die sportliche Frau, so die These des Illustrierten Sportblatts, ist die Frau der Zukunft (Abb.  6): „Es ist noch gar nicht so lange her, daß man vor dem bloßen Worte Frauenathletik ein gelindes Grauen empfand.
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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Untertitel
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Autor
Anton Holzer
Verlag
Primus Verlag
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-86312-073-3
Abmessungen
23.0 x 29.0 cm
Seiten
498
Schlagwörter
Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
Kategorie
Medien

Inhaltsverzeichnis

  1. Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
  2. Neue illustrierte Welt Einleitung 10
  3. Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
  4. Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
  5. Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
  6. Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
  7. Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
  8. Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
  9. Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
  10. Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
  11. Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
  12. Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
  13. Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
  14. Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
  15. Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
  16. Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
  17. Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
  18. Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
  19. Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
  20. Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
  21. Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
  22. Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
  23. Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
  24. Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
  25. Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
  26. Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
  27. Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
  28. Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
  29. Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
  30. Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
  31. Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
  32. Anhang
    1. Anmerkungen 446
    2. Fotografinnen und Fotografen 1890 bis 1945 Biografische Notizen 466
    3. Literatur 483
    4. Zeitungen und Zeitschriften 490
    5. Index 491
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