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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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299Blütezeit der Nacktkultur Eine Woche nach ihrem kurzen Wiener Auftritt re- sümiert ein Wiener Journalist: „Schon das Entree der Mulattin Josephine Baker wirkt faszinierend, sie um- schleicht, um den Gürtel künstliche Bananen tragend, im Urwald lauernd, einen weißen Afrikareisenden. Ihr knabenhafter Körper zeigt klassische Formen, dazu das weiße Leuchten ihrer Zähne, kohlschwarze Augen mit Pupillen, die sich weit nach rechts oder links schieben, so daß man nur das Weiße sieht. Bald ist die Wildkatze dann wieder ein sanftes oder über- mütiges Kind, kurz gesagt, ein Original, ein Ereignis auf der Bühne. Wenn sie mit ihrer dünnen Stimme singt, den Gesang der Tiere nachahmt, oder grotesk tanzt, wobei jeder Muskel des ganzen Körpers nach Art der Bauchtänzerinnen mitarbeitet, folgt man je- der ihrer Bewegungen mit gespanntem Interesse.“8 Blütezeit  der  Nacktkultur Josephine Baker ist in den 1920er Jahren eine Art Kunstfigur, eine Projektionsfläche, die Faszination und Ablehnung gleichermaßen bündelt. Sie wird be- wundert und gefeiert, aber auch kritisiert und ver- achtet. Ihr entblößter Körper ist auf der Bühne und in der illustrierten Presse die Attraktion, zugleich aber auch Anlass für Skandale. Wenige Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs ist der Nackttanz in den europäischen Metropolen zur großen Mode geworden. Bilder entblößter Tänzerinnen halten in diesen Jahren mit einer Selbstverständlichkeit Ein- zug in die illustrierten Journale, wie sie zuvor nicht denkbar gewesen wäre. Wenn vor 1914 der entblößte weibliche Körper in der Öffentlichkeit gezeigt wurde, hatte man stets Vorkehrungen getroffen, um den zu erwartenden Vorwurf der Unsittlichkeit zu entkräften und die Zensur zu umgehen. Gelegentlich bemühte man einen künstlerischen Jargon. Nacktszenen auf der Bühne wurden beispielsweise in Form von „Tab- leaux vivants“ gezeigt, die oft (zumindest angeblich) nach Vorbildern in der Malerei arrangiert waren. Oder die Entblößung fand unter dem Deckmantel des künstlerischen Tanzes statt. In der illustrierten Presse erschienen Nacktbilder nur dann, wenn sie mit einem Kommentar der moralischen Empörung versehen waren. Als 1913 die französische Nackt- tänzerin Adorée Villany im Zirkus Busch im Wiener Prater auftrat, erschien ein freizügiges Foto in der Presse (Abb.  4), begleitet von einem distanzierenden Kommentar, in dem die „wilden, orgiastischen Tänze“ beanstandet wurden.9 All das ändert sich nach 1918. Die Erschütterun- gen des Krieges haben die moralischen Grenzen verschoben. Die Nacktkultur verlässt nun die engen Abb.  4  Die  französische  Nackttänzerin  Adorée  Villany  tritt  1913  im  Zirkus  Busch  im  Wiener  Prater  auf.  Das interes- sante Blatt,  10.  Juli  1913,  S.  18.
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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Untertitel
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Autor
Anton Holzer
Verlag
Primus Verlag
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-86312-073-3
Abmessungen
23.0 x 29.0 cm
Seiten
498
Schlagwörter
Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
Kategorie
Medien

Inhaltsverzeichnis

  1. Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
  2. Neue illustrierte Welt Einleitung 10
  3. Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
  4. Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
  5. Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
  6. Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
  7. Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
  8. Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
  9. Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
  10. Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
  11. Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
  12. Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
  13. Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
  14. Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
  15. Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
  16. Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
  17. Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
  18. Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
  19. Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
  20. Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
  21. Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
  22. Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
  23. Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
  24. Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
  25. Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
  26. Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
  27. Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
  28. Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
  29. Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
  30. Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
  31. Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
  32. Anhang
    1. Anmerkungen 446
    2. Fotografinnen und Fotografen 1890 bis 1945 Biografische Notizen 466
    3. Literatur 483
    4. Zeitungen und Zeitschriften 490
    5. Index 491
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