Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Medien
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Seite - 303 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 303 - in Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945

Bild der Seite - 303 -

Bild der Seite - 303 - in Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945

Text der Seite - 303 -

303Ein neues Korsett der „Sittlichkeit“ Abb.  8  „Die  weltumspannende  Macht  des  Weibes“.  Die Mus- kete,  Nr.  6,  1932,  S.  102.  Foto:  Atelier  Manassé.  auch die offene Zensur verdrängen die Nacktheit aus der Öffentlichkeit. Josephine Bakers Wiener Auftritt im Jahr 1928 markiert diesen Wendepunkt beson- ders eindrücklich. Die Nacktfotografie verschwindet allerdings nicht vollständig aus der Öffentlichkeit. Sie sinkt nun wieder langsam zurück ins Schmuddelige, ins Reich der anzüglichen Publizistik. Diese ist in Wien vor allem mit einem Namen verknüpft: Karl Rob (eigentlich Robitschek). Rob gründet während des Ersten Weltkriegs einen eigenen Verlag.19 Daraus entsteht in den 1920er und 1930er Jahren ein erfolgreiches Medienunternehmen, in dem die Nacktfotografie eine wichtige Rolle spielt. Vor allem in den populären Revuen Die Muskete und Der Faun, teilweise auch in der Zeitschrift MOCCA, wird den Lesern ein schlüpfriges und frivoles Pro- gramm geboten.20 Auf vielen Fotoseiten der Muskete dominieren pikant-voyeuristische Inszenierungen, of- fen pornografische Bilder dagegen finden sich selten. Dennoch wird die Zeitschrift immer wieder aus „Sitt- lichkeitsgründen“ zensiert und beschlagnahmt. Zahl- reiche Fotografen beliefern den Verlag mit erotischen und anzüglichen Motiven. Ein Wiener Fotografenduo sticht darunter besonders hervor: Olga und Adorján Wlassics, die seit 1924 gemeinsam das Atelier Manassé betreiben. Sie liefern bei Weitem die meisten Nackt- aufnahmen für die Rob-Presse. Woche für Woche sind sie mit Sujets nackter Frauen präsent. Manch- mal handelt es sich um Posen und Inszenierungen, die mit der Tradition künstlerischer Akte kokettieren. Öfter aber sind die Nacktaufnahmen symbolisch auf- geladene Genreszenen, die mehr oder weniger in der Nähe des Kitsch liegen (Abb.  8). Wieder andere Bilder aus dem Atelier Manassé gehören in den Bereich der anspruchslosen Massenware, die die schlüpfrigen Motive mit billigen Effekten anreichern. Die Zurückdrängung der Nacktkultur nach 1930 erfolgt schleichend. Während des „Ständestaates“ häufen sich die Beschlagnahmungen von Heften aus dem Rob-Verlag.21 Im katholischen und konservati- ven Österreich der 1930er Jahren verschiebt sich die Schamgrenze sehr deutlich. Die staatlich verordnete Prüderie nimmt zu. In dieser Stimmung ziehen sich die liberalen, offenen, neugierigen Fotografen und Fo- tografinnen zunehmend auf sicheres Terrain zurück. Die Nacktbilder verschwinden zunehmend aus der Öffentlichkeit. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1938 wird dieser restriktive Kurs gegenüber der öffentlichen Entblößung zunächst weitergeführt. Die offiziell verordnete Keuschheit ist freilich nur von kurzer Dauer. Denn schon 1939 tauchen neue Nackte auf: Erdverbundene, sportliche und vor allem „urdeutsche“ Grazien sind nun wieder hüllenlos zu sehen.22
zurück zum  Buch Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945"
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Untertitel
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Autor
Anton Holzer
Verlag
Primus Verlag
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-86312-073-3
Abmessungen
23.0 x 29.0 cm
Seiten
498
Schlagwörter
Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
Kategorie
Medien

Inhaltsverzeichnis

  1. Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
  2. Neue illustrierte Welt Einleitung 10
  3. Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
  4. Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
  5. Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
  6. Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
  7. Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
  8. Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
  9. Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
  10. Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
  11. Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
  12. Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
  13. Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
  14. Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
  15. Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
  16. Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
  17. Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
  18. Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
  19. Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
  20. Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
  21. Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
  22. Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
  23. Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
  24. Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
  25. Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
  26. Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
  27. Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
  28. Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
  29. Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
  30. Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
  31. Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
  32. Anhang
    1. Anmerkungen 446
    2. Fotografinnen und Fotografen 1890 bis 1945 Biografische Notizen 466
    3. Literatur 483
    4. Zeitungen und Zeitschriften 490
    5. Index 491
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.