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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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305Professionalisierung der Werbung neu ist diese Entwicklung freilich nicht. Denn bereits seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert hat sich der großstädtische Raum grundlegend verändert. Die Re- klame beginnt schon um die Jahrhundertwende, die Straße zu erobern (Abb.  1). Die Werbeflächen werden von Jahr zu Jahr ausgeweitet, die Strategien der Wer- bung werden findiger und subtiler. Die Firma Odol etwa beginnt nach der Jahrhundertwende als eine der ersten, ihr Mundwasser mithilfe aggressiver Werbe- feldzüge im öffentlichen Raum zu vermarkten. Sie bucht großformatige Anzeigen auf Häuserwänden, setzt aber bereits früh auch auf „bewegte“ Anzei- gen: etwa auf Tramwaywagen und auf von Pferden gezogenen Omnibussen. Parallel dazu werden rasch wechselnde großformatige Anzeigen in der Presse geschaltet, in denen die Fotos schöner junger Frauen die Marke anpreisen. Im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts wird die Debatte um die „richtige“ Reklame zu einem wich- tigen Thema der öffentlichen Auseinandersetzung. 1909 schreibt der österreichische Philosoph, Pädago- ge und Schriftsteller Ludwig Erik Tesar: „Die Anzeige muss wiederholtes Ansehen erlauben, ohne langwei- lig zu werden oder abstoßend zu wirken.“4 Er fordert die „sinnbildende Einkleidung“, die „Ornamentarisie- rungen des Angezeigten“. Aber er wehrt sich noch vehement gegen den illustrierenden Einsatz von Fotografien in der Werbung: „Gänzlich zu verwerfen sind Anzeigen mit wiedergegebenen Lichtbildern von Hüten und Stiefeln, Hosenträgern und anderem. Der Wert der Photographie liegt nicht nach der künstle- rischen Seite, sondern in der genauen Wiedergabe irgendwelchen Originals – und zwar nach Form und Gestalt, weniger nach Räumlichkeit und noch weni- ger nach Farbe und Licht. Wenn daher beispielsweise eine Firma zum Beweise der Güte ihrer Koffer einen solchen im Lichtbilde vorführt, der die ganzen Stra- pazen des südafrikanischen Krieges mitgemacht hat, so liegt dem ein ganz bestimmter Zweck zugrunde, der aber bei den früher erwähnten Inseraten völlig fehlt. So kann der Käufer über einen Hut nur durch persönliche Prüfung und durch Anprobe, nicht aber durch dessen Abbildung urteilen. Übrigens würde auch das Kofferinserat bei häufiger Wiederholung geschmacklos werden.“5 Tesar hat offenbar die verwirrende Bleiwüste sei- tenlanger Kleinanzeigen vor Augen, wenn er – durch- aus im Einklang mit manchen Vorstellungen von Secession und Jugendstil – eine künstlerische Erneu- erung der Werbung einfordert. Jahrelang bedeutete Anzeigenwerbung nichts anderes als die endlose Aneinanderreihung von kurzen Textkästen mit ein- fachen oder gar keinen Illustrationen. Angeboten werden auf diesen Reklameseiten allerlei Wunder- mittel, Rezepturen und Alltagsprodukte (Abb.    2): Lederhosen, billige Bettfedern, Haarwuchsmittel, Haarentfernungsmittel, „Gummiprodukte“ für den Herrn, pornografische Artikel (als „Pariser Photos“ bzw. „Curiosa“ bezeichnet), Magen- und Hustensäfte, Bücher und Briefmarken, Werkzeuge und Grabstei- ne, Wäsche und Korsetts, Nervenmittel, Harmonikas, Grammophone und vieles andere mehr. Professionalisierung  der  Werbung Erst nach und nach tauchen größere, aufwendiger gestaltete Anzeigen auf. Die großen Wiener Mode- häuser etwa schalten vereinzelt ganzseitige, grafisch anspruchsvollere Werbeseiten (Abb.    3). Nur bei teu- ren Produkten greifen die inserierenden Firmen auf grafische Produktdarstellungen und später auch auf (namentlich nicht gekennzeichnete) Fotografien zu- rück. Das betrifft etwa Luxuswaren wie Automobile, Motorräder, Grammophone. Aber zunehmend auch Parfums und exquisite Hygieneartikel werden in fo- tografisch illustrierten Inseraten angepriesen. Parallel zur gestalterischen Verbesserung der Wer- bung entwickelt sich kurz vor dem Ersten Weltkrieg ein neuer Geschäftszweig im Bereich der Gestaltung von Anzeigen. Die anspruchsvolleren Arbeiten wer- den nicht mehr ausschließlich den Annoncen-Expe- ditionen oder Anzeigen-Gesellschaften wie etwa der auf diesem Gebiet führenden Firma Lehmann über- tragen, sondern eigenen Grafikbüros. Im Juli 1914 gibt beispielsweise der Grafiker Hermann Mandl in der Graphischen Revue die Eröffnung eines „Reklame- Büros“ bekannt (Abb.    4). „Ich erlaube mir hiemit die höfliche Mitteilung, dass ich mit heutigem in Wien IV, Wiedner Hauptstraße 1, ein Reklame-Büro für Schaufenster-, Straßen- und Zeitungsreklame eröff-
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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Untertitel
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Autor
Anton Holzer
Verlag
Primus Verlag
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-86312-073-3
Abmessungen
23.0 x 29.0 cm
Seiten
498
Schlagwörter
Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
Kategorie
Medien

Inhaltsverzeichnis

  1. Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
  2. Neue illustrierte Welt Einleitung 10
  3. Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
  4. Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
  5. Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
  6. Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
  7. Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
  8. Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
  9. Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
  10. Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
  11. Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
  12. Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
  13. Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
  14. Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
  15. Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
  16. Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
  17. Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
  18. Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
  19. Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
  20. Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
  21. Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
  22. Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
  23. Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
  24. Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
  25. Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
  26. Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
  27. Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
  28. Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
  29. Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
  30. Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
  31. Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
  32. Anhang
    1. Anmerkungen 446
    2. Fotografinnen und Fotografen 1890 bis 1945 Biografische Notizen 466
    3. Literatur 483
    4. Zeitungen und Zeitschriften 490
    5. Index 491
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