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392 Fotografisches Feuilleton · „Der Sonntag“: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie
Photoapparat in den Wiener Gassen herum, immer
auf der Lauer nach einem ‚Ereignis‘. Fast jede Woche
kam er wieder, bescheiden und unsicher: ‚Ich habe
wieder ein paar Aufnahmen gemacht. Darf ich sie
zeigen?‘ Es waren bescheidene Themen aus beschei-
denen Milieus, gesehen von einem guten Beobachter.
Nach kurzer Zeit war er regelmäßiger Mitarbeiter des
‚Sonntag‘.“30
Für Spiegel ist der Sonntag ein wichtiges publi-
zistisches Forum, hier kann er vor allem seine Fä-
higkeiten als Flaneur der Großstadt ausspielen. Seine
Themen sind Alltagsgeschichten und Straßenszenen,
die er hauptsächlich in Wien fotografiert. Zunächst
bietet er der Redaktion Einzelaufnahmen an, bald
aber liefert er auch längere Reportagen, etwa 1935
über einen „Winterabend im Krämerladen“ – der Text
stammt von Karl Heinrich Waggerl – oder 1937 über die Eisensammler in Wien-Ottakring. Im selben Jahr
veröffentlicht er eine Reportage über einen Wiener
Autofriedhof. Sie beginnt auf der Titelseite mit ei-
nem aus der Vogelschau aufgenommenen Überblick,
der das Durcheinander der „toten“ Autos auf dem
Schrottplatz zeigt (Abb.
10).31 Verstärkt wird die ver-
fremdende Perspektive durch die Schatten (Spiegel
fotografiert gerne früh am Morgen oder am Abend),
aber auch durch die ins Auge fallende diagonale Be-
schneidung der Aufnahme. Im Innenteil wird die Re-
portage unter dem Titel „Das Sterben der Autos“ fort-
gesetzt.32 Neben einer weiteren Überblicksaufnahme
rückt Spiegel nun näher heran, er zeigt ein zerlegtes
Auto und zwei Mechaniker, die mit dem Abmontieren
von Einzelteilen beschäftigt sind. Zwischen die Bilder
hat der Zeichner Bil Spira kleine Vignetten gesetzt,
die einzelne isolierte Autoteile herausgreifen. Der
Abb.
9 „Ein Mann steht
am
Fenster“. Bildgeschichte
über
den
Alltag auf der Straße. Der
Sonntag, 21.
Juli 1935, S.
4 und
5. Text:
Erich Rattner, Fotos:
Rudolf Spiegel.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang