Seite - 399 - in Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945

399Blick über die Grenzen Jahre in Verbindung gesetzt. „Gerade in unserer Zeit wieder, in der so viele daran verzweifeln, die Prob- leme des Lebens mit den Mitteln des Verstandes zu lösen, neigt man dazu, der Willensführung und den übersinnlichen Kräften anderer Vertrauen entgegen- zubringen. Und so kommt es, daß man öfter als je in Wiener Gesellschaften Magnetiseuren und Hellse- hern begegnet.“48 Hin und wieder liefert Robert Haas neben seinen Reportagen auch Einzelmotive, von denen eine star- ke suggestive Wirkung ausgeht. Im Januar 1938 etwa erscheint auf der Titelseite des Sonntag eine schau- rig-schöne Aufnahme einer traditionellen österreichi- schen Maske, die aus tiefschwarzem Grund hervor- leuchtet und vom Ringelnatz-Gedicht „Maskenball“ begleitet ist (Abb.  18). Blick  über  die  Grenzen Das dichte Netz an persönlichen Kontakten zu Autoren und Fotografen, das Oplatka aufbaut, umfasst nicht nur etablierte Namen. Er zeigt sich durchaus auch offen für junge talentierte Fotogra- fen, die ihm ihre Arbeiten vorlegen. Oplatka fördert auf diese Weise eine Fotografenszene, die in der konservativen Publizistik der 1930er Jahre nicht allzu viele ästhetische Freiräume hat. Unter den vielversprechenden Talenten, die in den 1930er Jahren zu fotografieren beginnen und im Sonntag veröffentlichen, sind auffallend viele Frauen. Ilsa Stern etwa, 1912 im böhmischen Parschitz geboren, absolviert 1931/32 die Münchner Fotoschule und lebt danach zeitweise in Wien. Ab 1934 publiziert sie re- Abb.  16,  17  „Hellseher“.  Foto-  reportage  über  Okkultismus.  Der Sonntag,  14.  März  1937,  Titelseite  und  S.  4/5.  Fotos:  Robert  Haas  (Hände)  und  Felix  Braun  (Menschengruppe).  Text:  Veza  Magd  (d.  i.  Veza  Canetti),.