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427Nationalsozialistische
Moderne
neue Zeit“. Gemeint ist damit der politische Umbruch,
der Schub der Modernisierung, den Faschismus und
Nationalsozialismus in den letzten Jahren herbeige-
führt haben. Im Fotonachweis am unteren Rand der
Seite ist nun von „Lichtbildern“ die Rede, nicht mehr
von „Photos“, wie das bisher üblich gewesen war. In
der nationalsozialistischen Diktion wird eine ganze
Reihe von Ausdrücken, die als „fremd“ eingestuft
werden, eliminiert.
In „gehobenen“ Kulturzeitschriften wie dem Wie-
ner Magazin (aber auch der Bühne oder der Pause)
wird ein breiteres Spektrum fotografischer Bildkultur
vorgeführt als etwa in der illustrierten Wochenpresse,
die sich hauptsächlich auf die herkömmliche Presse-
fotografie stützt. Es reicht von klassischen Nachrich-
tenbildern über konventionelle Amateuraufnahmen
bis hin zu gestalterischen Experimenten wie dem
vorliegenden. Immer wieder wird auf die „neue Zeit“
Bezug genommen. Das nationalsozialistische „Le-
bensgefühl“ wird im Wiener Magazin nicht so sehr in
Form von aktuellen politischen Propagandaaufnah-
men eingefangen. Vielmehr wird die „neue Zeit“ mit einer Ästhetik des „befreiten“ Körpers in Zusammen-
hang gebracht. Eine zentrale Rolle spielt dabei das
Ideal der klassischen Schönheit, das in allen Lebens-
bereichen aufgespürt und gefeiert wird: im Frauen-
bild, im Bild der Jugend, des Sports, aber auch in der
Natur, wie ein Beispiel aus dem Wiener Magazin zeigt.
Auf einer Doppelseite wird die „Königin“ der Blumen-
welt, die Rose, in Großaufnahme – einmal von oben,
dann von der Seite fotografiert – ins Zentrum der
Aufmerksamkeit gerückt (Abb.
7). Die beiden Aufnah-
men stammen von Arthur Benda, der nach 1927 das
Wiener Atelier von Madame d’Ora weiterführt. Da er
jüdischer Herkunft ist, muss er sein Atelier Ende Ap-
ril 1938 schließen.21 Dennoch werden offenbar auch
noch danach vereinzelte Bilder aus seinem Archiv in
der Presse veröffentlicht.22 Die Fotos selbst sind eher
konventionell. Erst in der grafischen Gestaltung (enge
Beschneidung des Bildes, abfallender Rand, nahtlose
Gegenüberstellung am Mittelfalz, unterschiedliche
Einfärbung der Doppelseite, kein Kommentar auf der
Bildseite) wird die Blume zur symbolträchtigen Pro-
tagonistin.
Abb.
7 Rosen. Wiener Magazin,
Heft 11, November 1939,
S.
26
und
27. Fotos: Arthur Benda.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang