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436 Den Krieg vor Augen · Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik
Die Einsätze in den Propagandakompanien sind
begehrt, die PK-Arbeit ist hoch angesehen, mit Pri-
vilegien versehen und die Überlebenschancen sind
deutlich größer als bei den einfachen Mannschaften
an der Front. Etliche österreichische Fotografen sind
während des Zweiten Weltkriegs Mitglied der Propa-
gandakompanien. Zu ihnen gehören Albert Hilscher,
Adolf Mayer, Max Mayerhofer, Franz Roth, Stefan
Kruckenhauser, Lothar Rübelt, Heinrich Schuhmann
jun., Anton Doliwa, Wilhelm Sturm, Gustav Hajek,
Marian Schwabik und Walter Henisch. Die meisten
dieser Fotografen sind treue Anhänger des Regimes
und voller Begeisterung bei der Sache. Der bekann-
teste österreichische Fotograf in den Reihen der Pro-
pagandakompanien ist Walter Henisch, geb. 1913. In
seinen Erinnerungen rühmt er sich später seinem
Sohn, dem Schriftsteller Peter Henisch, gegenüber,
1943 der beste Kriegsberichterstatter der Deutschen
Wehrmacht gewesen zu sein.45 Seine eigentliche
Karriere als Kriegsfotograf beginnt im Russland-
feldzug im Juni 1941. Bereits wenige Wochen nach
dem Überfall auf die Sowjetunion schafft Henisch
es mit einem eindrucksvollen Soldatenporträt auf
die Titelseite der renommierten Berliner Illustrirten
Zeitung.46 Aber Henisch ist, entgegen seiner Selbst-
einschätzung, keineswegs der bekannteste deutsche
Kriegsfotograf, sondern muss sich die öffentliche Präsenz mit zahlreichen anderen PK-Fotografen tei-
len, die teilweise viel häufiger in der Presse vertreten
sind. Im Frühjahr 1943 veröffentlicht er dramatische
Kampfszenen aus Russland, im Frühjahr 1944 Fotos
vom Partisanenkrieg auf dem Balkan.
Im August/September-Heft 1944 druckt die Pause
eine der zahlreichen Kampfaufnahmen Henischs, die
im Jahr zuvor in der Sowjetunion entstanden sind
(Abb.
16).47 Sie zeigt erschöpfte Gesichter. Einem der
Soldaten rinnt Blut über das Gesicht. Der Bildtext
freilich bleibt kämpferisch: „Gesichter des Kampfes:
Deutsche Soldaten nach einem abgeschlagenen An-
griff der Sowjets“. Das Papier, das zeigt ein genauerer
Blick auf die Seite, ist grob und rau. Längst ist das
glatte Kunstdruckpapier, früher ein Kennzeichen der
Zeitschrift, durch billiges Papier ersetzt worden. He-
nisch selbst ist zum Zeitpunkt, als die Aufnahme er-
scheint, schon längst nicht mehr in der Sowjetunion.
Seit August 1943 fotografiert er auf dem Balkan, im
Mai 1944 wird er bei einem Partisanenangriff verletzt
und ist monatelang außer Gefecht. Aber davon erfah-
ren die Leser der Pause nichts. Dass die Kriegseu-
phorie und der Optimismus, den Seiten wie diese zu
verbreiten suchen, bröckeln, erkennen sie aber allein
schon daran, dass die Zeitschrift im September 1944
eingestellt wird. Das Kriegsbild von Walter Henisch
erscheint in der letzten Nummer.
Abb.
16 „Gesichter des
Kampfes“. Deutsche Soldaten
an der Ostfront,
Orel, Russland,
Juli 1943. Die Pause,
Heft
8/9 1944, S.
18. Foto: Walter
Henisch.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang