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Romedius-Vita
Autor
Wolfgang Kofler
Biographie
Von einem Biographie-Begriff, wie wir ihn heute gebrauchen, kann weder im Mit-
telalter noch im Humanismus gesprochen werden (s. IJsewijn 1983). Dennoch lässt
sich eine gewisse Zahl an formal und inhaltlich differenzierten Textsorten ausma-
chen, die wir als biographische Literatur bezeichnen können : Es gab vitae („Lebens-
beschreibungen“) von weltlichen und geistlichen Persönlichkeiten (im zweiten Fall
v.a. von Heiligen), die sowohl in Prosa als auch in Versform verfasst sein konnten.
Weiters konnten Briefe, Reden und Gedichte dazu genutzt werden, ausgedehnt
über das Leben einer bestimmten Person zu berichten. Für das Tirol des 14. und 15.
Jhs. lässt sich jedoch – auch bei einer flexiblen Handhabung des Gattungsbegriffes
– nur wenig biographisches Schrifttum nachweisen. Die beiden einzigen Tirolen-
sien, die biographischen Charakter haben, stammen aus dem kirchlichen Bereich.
Beim ersten Werk handelt es sich um eine hagiographische Schrift, die das Leben
des Hl. Romedius erzählt. Romedius kann mit Recht als gesamttiroler Heiliger
bezeichnet werden. Er stammte aus Thaur in Nordtirol und entfaltete sein Wirken
im Gebiet von Sanzeno im Nonstal. An beiden Orten wird er noch heute intensiv
verehrt. Sein Leben weckte bereits früh das Interesse der Tiroler Hagiographen.
Neben den bereits angesprochenen Ausführungen im Liber epilogorum (vgl. hier
S. 33–35) des Bartholomäus von Trient und den im Anhang zum Catalogus episco-
porum Brixinensium (vgl. hier S.
37) überlieferten Notizen kommt dabei einer wohl
im 14. Jh. entstandenen Romedius-Vita1 eine Sonderstellung zu. Diese knüpft zwar
ganz klar an die zeitlich vor ihr liegenden Texte an, ist aber sehr viel ausführlicher
und erzählfreudiger.
Über den Autor wissen wir nichts, obwohl er im Prolog (244) über sich selbst
spricht und bekennt, dass er sich der Aufgabe, ein Werk über das Leben des Hl.
Romedius zu verfassen, eigentlich gar nicht gewachsen fühle und sich erst durch
wiederholtes Drängen seiner Glaubensbrüder zu dem Vorhaben habe überreden
lassen : Er fühle sich nun wie ein Unerfahrener, der mit dem Kommando über ein
1 Ediert im ersten Band von Joseph Reschs Annales Ecclesiae Sabionensis, 244–251, der von zwei ihm
bekannten Hs. berichtet : Eine befand sich in der Pfarre von Ton und die andere in der Bibliothek
des Domkapitels von Trient. Eine Abschrift, die von Pfaundler 1961, 134 irrtümlicherweise für ein
eigenständiges Werk gehalten wird, befindet sich heute im TLA, 92 und trägt den Titel Vita et mors
ac miracula Sancti Romedii („Leben, Tod und Wunder des Hl. Romedius“). Zur Datierung der Vita
s. Reschs Annales Ecclesiae Sabionensis, Bd. 1, 244 Anm. 337.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593