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Übersicht
De Christiana
philosophia
Stefan Tilg
Philosophie
In der Zeit von 1519 bis zum Ende des 16. Jhs. gibt es in Tirol weder qualitativ
noch quantitativ bedeutendes philosophisches Schrifttum. Einerseits traten keine
großen Einzelpersönlichkeiten – wie in der vorangegangenen Epoche Cusanus oder
Ricius – hervor. Andererseits hatte sich die scholastische Schulphilosophie des Spät-
humanismus und des Frühbarocks in Klöstern und Schulen noch nicht so weit
ausgebildet, dass sie literarischen Niederschlag gefunden hätte. Paulus Ricius lebte
zwar noch bis 1542 (und zumindest seit 1536 permanent in Innsbruck), doch er
veröffentlichte nur noch wenig. Die Philosophie betrifft davon unmittelbar nur das
in Augsburg 1541 erschienene Werk De coelesti agricultura („Über den himmlischen
Ackerbau“), in dem v.a. frühere Traktate gesammelt wurden – einen Einblick in
ausgewählte Beispiele hat schon das vorhergehende Kapitel vermittelt. Der Trient-
ner Jacopo Aconcio (1492–1566), der u.a. mit seiner 1558 in Basel erschienenen
Methodenlehre (De methodo) einen bedeutsamen Beitrag zur Philosophie verfasste,
war bereits 1557 als Anhänger der Reformation aus Tirol geflohen. Er verbrachte
den Rest seines Lebens, und damit zugleich seine literarisch produktiven Jahre, in
Basel, Zürich, Straßburg und schließlich in England, wo er königlicher Festungs-
ingenieur wurde. Schulmäßige Philosophie wurde im 16. Jh. zu einem gewissen
Grad sicher in der internen Ausbildung der Tiroler Klöster betrieben, doch ist keine
selbständige Produktion nachweisbar. Auch die Jesuiten, die im 17. Jh. zur maß-
geblichen philosophischen Instanz werden sollten, waren noch nicht so weit. Der
Anfang ihrer philosophischen Studien im engeren Sinn datiert mit der Einrichtung
einer Logik-Klasse im Innsbrucker Gymnasium 1606. So muss man sich, was die
Produktion auf Tiroler Boden angeht, auf bescheidene Philosopheme auf anderen
literarischen Gebieten beschränken. Verwiesen sei hier z.B. auf die im Theaterkapi-
tel behandelten Dramen zur Hl. Katharina von Alexandria, in denen sich die von
christlicher Weisheit inspirierte Protagonistin gegen eine Schar heidnischer Philo-
sophen durchsetzt.
In ähnlicher Weise propagiert das Konzept einer überlegenen christlichen Weis-
heit die in der Sammlung Scholastica Oenipontana (s. hier S. 226–231) enthaltene
Elegie De Christiana philosophia carmen elegiacum („Über die christliche Philoso-
phie“ ; Bl. 5v–7v ; s. auch S. 227–228). Das Gedicht steht unter dem Jahr 1581
unmittelbar vor der Preisverleihung an die Schüler, und schon die ersten Verse deu-
ten an, dass es auch inhaltlich diese Preisverleihung vorbereitet : Diva suas iterum
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593