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Galenismus
Paracelsismus
Überblick
Guarinonius Lav Šubarić
Medizin
Die gelehrte medizinische Literatur dieser Epoche ist bestimmt vom sogenannten
Galenismus. Diese traditionelle Lehre, welcher der größte Teil der akademisch ge-
bildeten Ärzteschaft anhing, fußte auf den Schriften Galens und auf aristotelischen
erkenntnistheoretischen Grundlagen. Korrekturen am überlieferten Gedankengut
waren innerhalb dieses Rahmens aber durchaus möglich. Neuerungen wurden als
Weiterführung oder Vervollständigung in das bestehende Wissenssystem integriert.
Während sich im 16. Jh. durch die Zunahme von Leichensektionen an den Uni-
versitäten bzw. durch die Beschäftigung mit außereuropäischen Pflanzen große Ver-
änderungen auf den Gebieten der Anatomie und Pharmakologie vollzogen hatten,
blieb die medizinische Theorie weitgehend von der galenischen Humoralpathologie
bestimmt : Gesundheit wurde als Gleichgewicht der vier Körpersäfte Blut, Schleim,
gelbe und schwarze Galle und der diesen zugeordneten Qualitäten gesehen, Krank-
heiten als Störung dieses Gleichgewichts interpretiert und Therapien auf dessen
Wiederherstellung ausgerichtet.
Eine weitere wichtige Strömung war der Paracelsismus. Während Paracelsus (wohl
1493–1541) zu Lebzeiten in der Ärzteschaft keine Anerkennung fand, verbreitete
sich seine Lehre nach seinem Tod durch sukzessive Veröffentlichung seiner Schriften
rasant. Mitte des 17. Jhs. erlebte der Paracelsismus (auch „Chemiatrie“ genannt) in
seiner Ausbreitung einen Höhepunkt. Während Paracelsus’ theoretische Überlegun-
gen außerhalb seiner unmittelbaren Anhängerschaft und alchemistisch interessierter
Kreise kaum Anklang fanden, konnten sich chemiatrische Heilmittel – die von mi-
neralischen Stoffen über Destillate bis zu alten alchemistischen Präparaten reichten
– mit der Zeit durchsetzen und traditionelle pflanzliche Heilmittel z.T. verdrängen.
Zu diesen beiden gelehrten Strömungen sind uns zeitgenössische Tiroler Texte
erhalten, im Gegensatz zum sonstigen medizinischen Angebot im Tirol des 17.
Jhs.
(Bader, Chirurgen, Hebammen, Star- und Steinstecher, Wunderheiler, als Hexen
verrufene Naturheilerinnen usw.), das nur durch indirekte Zeugnisse fassbar ist.
Diese Schriften gelehrter Tiroler Ärzte entstanden hauptsächlich im höfischen
Umkreis. Nach dem wichtigsten Tiroler Arzt dieser Epoche sollen im Folgenden
verschiedene Arten des in Tirol verbreiteten medizinischen Schrifttums (Dissertati-
onen, Traktate, Gebrauchstexte) vorgestellt werden.
Der bekannteste und bedeutendste Arzt dieser Epoche in Tirol, der schriftstelle-
risch tätig war, ist Hippolytus Guarinonius (vgl. Abb. 89). Seine Bekanntheit ver-
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593