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Überblick,
Gliederung
Praeteritio :
Baldes Tirolensien
Martin Korenjak
Dichtung
Überblickt man die Dichtung dieser Epoche, so fällt im Vergleich mit anderen Zei-
ten v.a. die außergewöhnlich gute Dokumentation der jesuitischen Schulpoesie ins
Auge. Als ihre Fortführung erweist sich in Machart und Thematik insbesondere die
geistliche Dichtung, die sich in ihren erbaulichen, didaktisch-theologischen und
narrativen Spielarten breit entfaltet. Daneben findet sich wieder eine reiche pane-
gyrische Produktion, die sich wie in der vorhergehenden Epoche auf den Innsbru-
cker und den Trientner Hof konzentriert. Die übrigen Adressaten, unter denen sich
erstmals auch der Brixner Fürstbischof befindet, spielen demgegenüber eine eher
untergeordnete Rolle. Im Folgenden werden die einschlägigen Texte in der eben
angegebenen Reihenfolge besprochen.
Beginnen muss dieses Kapitel jedoch mit einer Praeteritio, welche die Tiro-
lensien Jakob Baldes (1604–1668) betrifft. Balde, einer der größten nlat. Dichter
überhaupt, hat sich zweimal, 1628–1630 und 1640, in Tirol aufgehalten, und sein
Œuvre enthält eine Reihe von Stücken, die in dieser Zeit entstanden sind und Ti-
roler Themen behandeln : Ein an Ovids Heroides anknüpfender elegischer Brief der
Diana an Venus über den Tod des Adonis (Opera poetica omnia, Bd. 5, 318–322)
ist ein vermutlich während des ersten Tirolaufenthalts verfasstes Jugendwerk. Das-
selbe dürfte im Wesentlichen vom Maximilianus Primus Austriacus („Maximilian I.
von Österreich“ ; Opera poetica omnia, Bd. 8, 333–436) gelten, der formal ein um-
fangreiches Prosimetrum, inhaltlich weniger eine Biographie Maximilians denn ein
allegorischer Fürstenspiegel ist. Im Jahr 1640 hat Balde dann eine ganze Reihe von
horazischen Tirolensien verfasst. Unter ihnen ist an erster Stelle die Ode auf Maria
Waldrast (lyr. 2,11) zu nennen, in der seine Marienfrömmigkeit vor dem Hinter-
grund der Tiroler Gebirgslandschaft Ausdruck findet. In lyr. 3,1 bricht der Erzähler
von Hall aus zu einer Bergtour auf, die bald in eine geistige Himmelsreise übergeht.
Lyr. 3,8 vergleicht den Redeschwall einer Predigt von Baldes Ordensbruder And-
reas Brunner (nomen est omen) in Innsbruck wohl nicht ganz ohne Ironie mit einer
gleichzeitigen Überschwemmung des Inn. Recht konventionell feiert dagegen lyr.
4,25 den damals zwölfjährigen Tiroler Thronfolger Ferdinand Karl. Epode 14 über-
steigert, z.T. im Anschluss an Hor. epod. 8, den angeblichen Ritualmord an Simon
von Trient1 (vgl. hier S. 67–69) in grotesker Weise und markiert damit zweifellos
1 Das Gedicht dürfte eher an diesen als an die Anderl von Rinn-Legende anknüpfen, da die Orts-
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593