Seite - 167 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
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Übersicht : Von
der Spätantike zur
Frühen Neuzeit
Nicolaus Cusanus
Stefan Tilg
Philosophie
Die Sprache der spätantiken und mittelalterlichen Philosophie in Europa war fast
ausschließlich das Lat. Römische Autoren wie Lukrez, Cicero und Seneca haben
nach griechischen Vorbildern eine philosophische Begrifflichkeit geschaffen, die
dann durch die Kirchenväter abgewandelt und weiterentwickelt wurde. Mit dem
Aufstieg des Christentums wurde auch die Philosophie theologisch und galt als ein
Hilfsmittel, sich Gott zu nähern. Während die Intellektuellen des frühen Mittel-
alters dies eher auf kontemplative Weise versuchten, bildete sich ab etwa dem 12.
Jh. mit der Scholastik eine neue philosophisch-theologische Richtung, die dem
rationalen Denken mehr Geltung einräumte. Ihre institutionelle Verankerung wa-
ren neben den Klöstern v.a. die neuen Universitäten. Einen entscheidenden Impuls
gab die Wiederentdeckung vieler Schriften des Aristoteles, die in lat. Übersetzung
gelesen wurden. Der prominenteste Vertreter der Hochscholastik des 13. Jhs., Tho-
mas von Aquin, suchte einen Ausgleich zwischen dem Christentum und Aristote-
les. An dieser Entwicklung nahmen auch die Tiroler Klöster teil, allerdings nicht
durch eigenständige Beiträge, sondern lediglich durch Kopieren und Studieren von
Hs. Im 14. Jh. verebbte die scholastische Bewegung in führenden Zentren, v.a. in
Oberitalien, zugunsten der neuen Ideen des Humanismus mit seiner Betonung der
menschlichen Individualität und Kreativität. Platon und der aus seiner Philosophie
in der Spätantike entstandene Neuplatonismus verdrängten langsam die traditio-
nelle, aristotelisch-thomistische Lehre. Daneben hoben sich auch unkonventionel-
lere Aristoteles-Interpretationen von der scholastischen Schulphilosophie ab. Diese
neuen Tendenzen sind im Tirol des 15. und frühen 16. Jhs. durch zwei große Ein-
zelgestalten verkörpert : Nicolaus Cusanus und Paulus Ricius.
Nicolaus Cusanus (1401–1464, vgl. Farbtafel 5) ist wohl der international be-
rühmteste lat. Schriftsteller, der je in Tirol gewirkt hat.1 Er hat der europäischen
Geistesgeschichte am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit maßgebliche Impulse
gegeben. Vielen gilt er als der größte Philosoph des 15. Jhs. überhaupt. Dass Cusa-
nus eher als Philosoph denn als Theologe bekannt ist, hat seinen Grund. Zwar kreist
sein ganzes Werk um Gott, doch ist dieser Gott über weite Strecken ein Gott der
Philosophen. Ethik spielt in seinem Werk eine nur marginale Rolle. Die Grundfra-
gen des Cusanus sind epistemologischer und ontologischer Natur. Er fragt danach,
1 Aus der Fülle von Einführungen zu Cusanus sei besonders Flasch 1998 empfohlen.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593