Seite - 147 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
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Überblick
scholastische
Theologie im
Spätmittelalter
Erika Kustatscher/Martin Korenjak
Kirchliches Schrifttum
Anders als im Rechtsalltag und in der Verwaltung, wo sich seit etwa 1300 zuneh-
mend die Volkssprachen durchsetzten, blieb im kirchlichen Bereich wie anderswo
so auch in Tirol das Lat. dominant. Entsprechend umfangreich ist das lat. Schrift-
tum, und entsprechend vielfältig sind die Zeugnisse, in denen es sich artikuliert. Im
Folgenden müssen aus Platzgründen wesentliche Teile dieses Textcorpus ausgespart
werden. Dies betrifft insbesondere das kirchliche Urkundenwesen, die Korrespon-
denzen kirchlicher Würdenträger, von denen eine beispielhaft im Briefkapitel der
folgenden Epoche vorgestellt wird (vgl. hier S. 335), sowie die Person des Nicolaus
Cusanus, der in den Kapiteln zur Philosophie und zur Rechtswissenschaft gewür-
digt wird (vgl. hier S. 167–182, 203–206). Dagegen scheint es sinnvoll, zunächst,
sozusagen als Hintergrund, die Rezeption der zeitgenössischen Scholastik und Mys-
tik zu beleuchten (produziert wird im eigentlichen Sinne theologisches Schrifttum
in Tirol einstweilen nur in wenigen Einzelfällen). In der Folge wird ein Überblick
über das kirchliche Gebrauchsschrifttum des Landes gegeben. Den Schluss machen
zwei anlassbezogene Werke aus dem späten 15. Jh., die in theologisch fundierter
Argumentation zu wichtigen religionspolitischen Ereignissen und Entwicklungen
Stellung nehmen.1
Vor dem Hintergrund schwerer Krisen der Kirche, die auf den Reformkonzilien
von Konstanz (1414–1418) und von Basel (1431–1449) zur Lösung anstanden,
kam es im 15. Jh. zu einer Aktualisierung theologischer Richtungen, die sich seit
dem frühen 14. Jh. entwickelt hatten. Damals begann an die Stelle der hochmit-
telalterlichen Summen, deren Hauptanliegen die rationale Begründung von Glau-
bensinhalten gewesen war und die ein Allgemeines vorausgesetzt hatten, an dem
die Einzeldinge teilhätten (Realismus), die Untersuchung einzelner Probleme und
konkreter Dinge zu treten (Nominalismus). Die für das Mittelalter typische Ver-
bindung von Glaube und Vernunft wurde in Frage gestellt (Röd 2000, 366–371).
Im 15. Jh. steigerte sich der Gegensatz zwischen Realismus und Nominalismus
zum Streit zwischen der sogenannten via antiqua („alter Weg“) und der via mo-
derna („Weg der Gegenwart“). Die Vertreter der Ersteren traten für die Theologie
des Thomas von Aquin und des Albertus Magnus ein und wollten im universitären
Lehrbetrieb nur diese Richtung dulden, Letztere setzten an die Stelle der Autorität
1 Zu einer ausführlichen Kirchengeschichte Tirols in diesem Zeitraum s. Gelmi 2001, v.a. 63–134.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593