Seite - 95 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
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Ăberblick ;
AnfÀnge
drei rhetorische
Traktate und
ihr vermutlicher
Autor
Martin Korenjak
Rhetorik und Beredsamkeit
Im hohen und spÀten Mittelalter ist Tirol noch weitgehend rhetorisches Niemands-
land. Weder öffentlich gehaltene Reden noch eines der theoretischen Genera, wel-
che das einschlÀgige antike Wissen im Mittelalter weitertradierten (Predigtlehren,
Briefsteller, Poetiken), lassen sich nachweisen. Erhalten sind lediglich einige Predigt-
sammlungen, doch ist es bei den betreffenden Texten unklar, ob sie im Tiroler Raum
entstanden sind ; sie werden im Rahmen der theologischen Literatur kurz behandelt
(vgl. hier S. 154â155). Erste Spuren rhetorischen Interesses lassen sich um die Mitte
des 15. Jhs. in Form einer Hs. mit einschlÀgigen Traktaten in Trient nachweisen. Die
folgende Darstellung behandelt zuerst diese frĂŒhesten rhetorischen Texte Tirols und
wendet sich dann der angewandten Rhetorik zu. Die wenigen Reden sind sÀmtlich
der epideiktischen Beredsamkeit, dem in der FrĂŒhen Neuzeit wichtigsten rhetori-
schen Genus, zuzuordnen. Einziger âAbnehmerâ solcher panegyrischer Texte ist zu-
nĂ€chst der Innsbrucker Hof ; in den folgenden Epochen werden die FĂŒrstbischöfe
von Trient, die UniversitÀt Innsbruck und andere Zentren hinzukommen.
Wie bei der Dichtung sind auch im Fall der Rhetorik die Àltesten erhaltenen
Werke, die auf Tiroler Boden entstanden ist, nĂ€mlich drei auf den Seiten 11â54,
55â60 und 67â102 der Hs. BCT, ms. 1809 (G.261) stehende Traktate, nicht âau-
tochthonâ, sondern Produkte des oberitalienischen Humanismus. Der erste dieser
Texte ist ĂŒberschrieben Augustinus Senensis composuit regulas has[?] (âAugustinus
aus Siena hat diese Regeln verfasstâ), am Schluss folgt der Vermerk Expliciunt pre-
cepta Angeli Senensis (âEs schlieĂen die Vorschriften des Angelus aus Sienaâ). Die
beiden folgenden Traktate haben weder Titel noch Autorennamen, doch da sie,
wie es scheint, von derselben Hand geschrieben sind wie der erste und zumindest
der zweite diesem auch in seiner Anlage sehr Àhnelt, kann man annehmen, dass
alle drei von einem Augustinus oder Angelus von Siena stammen. Ăber das Leben
dieses Mannes wissen wir nur, dass er, wie er selbst mitteilt (91), ein SchĂŒler des
berĂŒhmten Philologen und Rhetoriklehrers Gasparino Barzizza aus Bergamo (ca.
1360 oder 1370â1431 : Sonkowsky 1958, iiâv) war und, wie im Katalog der BCT
vermerkt wird, als Notar im nordwestlich des Gardasees gelegenen Ledertal wirkte.
Das SchĂŒlerverhĂ€ltnis des Verfassers zu Barzizza datiert die Texte ebenso wie die
Schrift in die Zeit um die Mitte des 15. Jhs. Alle drei können als Zeugnisse der
RĂŒckbesinnung auf das Sprachideal der klassischen LatinitĂ€t gelten, wie sie gerade
den oberitalienischen Humanismus dieser Zeit kennzeichnet.
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Ć ubariÄ) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Ć ubariÄ) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Ć ubariÄ) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur GrĂŒndung der UniversitĂ€t (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Ć ubariÄ) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Ć ubariÄ) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593