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Überblick
Widmungsbrief :
zwei Beispiele
Martin Korenjak
Brief
Wie in der vorangegangenen Epoche zeigt der Brief sich auch im 17. Jh. als prote-
ische Gattung. Aus dem breiten Spektrum der möglichen Formen und Verwen-
dungsweisen (vgl. CNLS 2, 218–228) haben im Tiroler Raum die Mechanismen
und Zufälle der Überlieferungsgeschichte Beispiele für Widmungsschreiben, wis-
senschaftliche Briefe, eine Klosterkorrespondenz sowie einige päpstliche Schreiben
anlässlich der Bekehrung Christines von Schweden bewahrt. Die meisten dieser
Briefe tragen entweder amtlich-offiziösen Charakter oder sind von Anfang an für
die Öffentlichkeit bestimmt. Nur spärlich vertreten ist der überlieferungsgeschicht-
lich stets benachteiligte Privatbrief.
Allenthalben anzutreffen sind Widmungsbriefe, die einem beträchtlichen Teil al-
ler gedruckten Werke vorangestellt werden. Als Widmungsträger treten oft geistliche
oder weltliche Größen auf, deren Wohlwollen oder finanzieller Unterstützung sich
der Autor versichern möchte. Die Grenzen zur nicht mehr briefartigen Widmung
können durch immer weitergehende ‚Erosion‘ der Briefformeln zu Beginn und am
Schluss verwischt werden. Hier seien nur zwei Beispiele herausgegriffen : der Brief
vom 31. 7. 1600, in dem Nicolao Inama seine Leichenrede für den Trientner Fürst-
bischof Lodovico Madruzzo (vgl. hier S. 465–467) dessen Neffen und Nachfolger
Carlo dediziert, und das vom 17. 9. 1652 datierende hs. Schreiben, in dem Benedikt
Herschl, der Abt von St. Georgenberg, ein Exemplar seines Athos Georgianus Anton
von Crosini, dem Fürstbischof von Brixen, zueignet, welcher gleichzeitig auch der
offizielle Widmungsträger dieses – übrigens volkssprachlichen – hagiographischen
Werkes ist (vgl. Abb. 78, 79). Ein Vergleich beider Briefe zeigt einige der soziolo-
gischen Parameter, welche die Art eines Widmungsbriefes bestimmen können, und
deutet die hieraus resultierende formale und inhaltliche Bandbreite an : Während
Inama sich in ausführlicher Panegyrik ergeht und dafür am Schluss durch einen
Verweis auf seine bescheidenen Verhältnisse recht deutlich eine finanzielle Zuwen-
dung einfordert, lobt Herschl Crosini weit knapper und hofft nur (unter Rückgriff
auf einen antiken Topos) darauf, dass dieser seinem Werk zu größerem Ruhm und
weiterer Verbreitung verhelfen werde. Er ist im Gegensatz zu Inama finanziell un-
abhängig und möchte mit seiner Widmung in erster Linie sein gutes Verhältnis zu
Crosini ausdrücken und vertiefen. Dass dieser das zu schätzen wusste, zeigt ein von
derselben Hand wie Herschls Schreiben kopierter Dankesbrief vom 22. 9. 1652, der
sich zusammen mit jenem im Athos-Exemplar der ULBT (21.061) erhalten hat. Eine
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593