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Briefwesen im
Mittelalter
offizielle
Korrespondenz Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch
Brief
Ab dem 11. Jh. expandiert mit der Zunahme der Schriftlichkeit auch das Briefwe-
sen in Europa.1 Waren Briefe zuvor in der Zeit der überwiegenden Mündlichkeit
eher ausgewählte und spärlich überlieferte Schriftzeugnisse, so steigt nun die Zahl
der überlieferten Briefe stark an. Anders als der moderne Brief ist der mittelalter-
liche keine private, intime Kommunikation, sondern durchwegs in einem öffent-
lichen Kontext angesiedelt. In großer Nähe zur Urkunde stehend, von der er sich
nicht immer exakt trennen lässt, ist er gekennzeichnet von starker Schematik und
Formelhaftigkeit.2 Seit dem 12. Jh. ist es die ars dictaminis („Kunst der Rede“),
die den Aufbau der Briefe reglementiert und anhand von Musterbriefsammlungen
veranschaulicht (vgl. Schaller 1980, 1034–1039). Damit gerät der Brief auch in ein
Nahverhältnis zur Literatur : Die Humanisten entdecken den Brief als literarisches
Medium wieder und konzipieren viele ihrer Schreiben von Anfang an für eine spä-
tere Publikation.
Neben diesen Briefsammlungen als Kunstform dominiert bei Weitem der Brief
als Zweckform, als Mittel der Kommunikation über die Distanz, das v.a. in Kauf-
mannskreisen, im Bereich der Kurie sowie in dem weit verzweigten Netz der euro-
päischen Fürstenhöfe zur größten Blüte gelangt. In diesem Zusammenhang spielt
auch der Tiroler Raum eine wichtige Rolle. Im ausgehenden Mittelalter sind es
gleich mehrere Höfe, die ihn als Macht- und Kommunikationszentren prägen : der
habsburgische Hof des römischen Königs bzw. Kaisers, der landesfürstliche Hof,
die fürstlichen Höfe der Kurien von Brixen und Trient und schließlich bis zum
Aussterben des Geschlechts 1500 der Hof der Grafen von Görz. Tirol stellte eines
der wichtigsten Zentren des fürstlichen „Verwandtschafts- und Freundschaftsnet-
zes“ dar (vgl. Antenhofer 2005 und 2007), dessen Ausläufer sich über weite Teile
Europas erstreckten. In den Beständen des Tiroler Landesarchivs ist eine Fülle von
Schreiben verschiedenster Provenienz überliefert.3 In der Folge soll zunächst ex-
1 Vgl. Gruber u.a. 1983, 648–682. Nach wie vor das einzige Standardwerk zum Briefwesen im
deutschen Sprachraum ist Steinhausen 1889. Einen germanistisch orientierten Überblick bietet
Nickisch 1991, einen Überblick über die Briefe in der politischen Kommunikation bieten Anten-
hofer/Müller 2008. Daneben entstehen seit den 90er-Jahren des 20. Jhs. Detailstudien zum Brief-
wesen, vgl. etwa Wenzel 1997, Heimann u.a. 1998, Spieß 2003, Antenhofer 2007, Holzapfl 2008.
2 Vgl. zum Brief aus archivalischer Sicht Meisner 1969.
3 Einen kleinen Einblick vermittelt z.B. die Sammlung „Autographen“. Hier wurden vermeintlich ei-
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593